Ehrenamt Warum sich Renate Seidel aus Aschersleben seit 2007 für den Tierschutz engagiert
Die 74-Jährige wuchs in Groß Schierstedt auf und ging in Aschersleben zur Oberschule. Später arbeitete sie als Tierärztin in Brandenburg.

Aschersleben/Berlin/MZ - Renate Seidel lebt seit dem Studium 1965 in Berlin. Doch auch wenn sie in Berlin eine Familie gegründet und drei Kinder groß gezogen hat, kommt sie gern zurück nach Aschersleben und Groß Schierstedt. „Orten, wo man Kindheit und Jugend verbracht hat, bleibt man immer verbunden“, weiß sie.
Die Zeit bei den Großeltern in Groß Schierstedt sei ihre schönste Zeit gewesen, sagt Renate Seidel heute. Sie wohnte in der Ermslebener Straße in Aschersleben, die ihr damals riesig vorkam, besuchte die heutige Burgschule und dann die EOS, das heutige Gymnasium.
Nun ist die 74-Jährige zwar schon lange Rentnerin. Aber sie engagiert sich ehrenamtlich sehr stark. Für ihre Herzensangelegenheit, den Tierschutz. Seit 2007 ist Renate Seidel Vizepräsidentin des Deutschen Tierschutzbundes, in dem 800 Tierschutzvereine aus Deutschland, die rund 500 Tierheime haben, organisiert sind.
Ihre Großeltern, die Landwirte waren, hatten in Schierstedt Hühner, Ziegen, Kaninchen, Hunde und Katzen. Sie liebte die Tiere, vor allem die Katzen. Ihr leider sehr früh verstorbener Vater war Arzt. So scheint der Studienwunsch wie in die Wiege gelegt: Renate Seidel studierte Tiermedizin.
„Das ist etwas, was wir heute von der ethischen Einstellung zum Tier nicht mehr vertreten können.“
Renate Seidel über das Töten von neugeborenen Katzen
Sie ärgerte sich oft, wenn mit Tieren respektlos umgegangen wurde. „Heute entspricht das nicht mehr unseren Vorstellungen“, sagt sie. Schweineställe waren früher meist dunkle Verschläge. Neu geborene Katzen wurden auf dem Lande oft erschlagen. „Das ist etwas, was wir heute von der ethischen Einstellung zum Tier nicht mehr vertreten können.“
Eine Organisation wie den Tierschutzbund habe es in der DDR nicht gegeben, erzählt sie. Renate Seidel arbeitete als Tierärztin im brandenburgischen Bernau und Eberswalde, unter anderem im Veterinäramt. Und als nach der Wende Tierschutz ein Thema wurde, „haben wir begonnen, überall in den neuen Bundesländern Tierschutzvereine zu gründen“.
Die Aussicht, etwas im Sinne der Tiere verändern zu können, motivierte sie. Allein ging das nicht, war ihr klar. „Da muss man schon was gemeinsam machen.“ Also gründeten sie in Bernau den ersten Tierschutzverein. „Wir haben versucht, alles zu ändern, was vorher schlecht oder nicht möglich war“, erinnert sie sich.
Den Landestierschutzverband in Brandenburg gründete sie 1991 mit. 1994 wurde Renate Seidel Landesvorsitzende. Sie blieb es 24 Jahre. Noch immer hilft sie als Ehrenvorsitzende mit Ratschlägen den Nachfolgern. Viele Tiere konnten davon profitieren. Zum Beispiel 1997 beim Hochwasser an der Oder, als sie Tag und Nacht versuchte, Hilfe zu organisieren. Speditionen holten dann Tiere aus überfluteten Gebieten. Für ihr Engagement erhielt sie den Verdienstorden des Landes Brandenburg.
1994 wurde Seidel Landesvorsitzende des Landestierschutzverbands in Brandenburg
Ein anderes prägendes Erlebnis für Renate Seidel war 2006 die Vermittlung von 230 Hunden durch ihren Landesverband an Tierschutzvereine aus ganz Deutschland. Eine tiersammelsüchtige Halterin, die ursprünglich vielleicht einem Tier helfen wollte, hatte Hunde auf ihrem Grundstück gehortet, die sich unkontrolliert vermehrten. Die Frau sei völlig überfordert gewesen. Die Vermittlung der Hunde „war eine Riesensache“, weiß Renate Seidel.
Als Vertreterin im Länderrat war Renate Seidel in der Bonner Geschäftsstelle bekannter als andere Tierschützer. Sie versuchte stets, etwas für die Tiere zu erreichen. So sei der Kontakt zum Deutschen Tierschutzbund größer geworden, erklärt sie den Weg an die Spitze des Bundesverbandes. Dem Verband liegt wie ihr selbst nicht das Wohl bestimmter Tiere am Herzen, sondern das aller.
„Der Tierschutzbund ist die Organisation, die sich umfassend für die Gesamtheit aller Tiere einsetzt“, erklärt sie. Zudem engagierte sich Renate Seidel sicher auch mehr als andere. So lag die Frage nah, ob sie im Präsidium des Deutschen Tierschutzbundes mitarbeiten würde. 2003 bis 2007 machte sie im erweiterten Präsidium mit, dann als Vizepräsidentin. Mehr Platz für die Tiere ist eines ihrer wichtigsten Ziele.
In der Zeit des Lockdowns hielten die Tierschützer in Videokonferenzen den Kontakt. Viele Stunden in der Woche nimmt sie sich für ihr Amt Zeit. Man müsse aber auch auf dem Laufenden bleiben, wie sich die Tierschutzpolitik in der Bundesrepublik entwickelt, weiß sie.
Im Oktober will Renate Seidel wieder mal nach Aschersleben kommen. Zum Klassentreffen ihrer Abiklasse. Eigentlich machen sie es alle fünf Jahre, doch Corona machte ihnen 2020 einen Strich durch die Planung.