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Hohe Mäusedichte Warum Schleiereulen im Seeland in diesem Jahr zweimal gebrütet haben

2024 ist ein extremes Mäusejahr. Viele Schleiereulen und andere seltene Vögel haben deshalb gleich zweimal Junge aufgezogen.

Von Regine Lotzmann 22.10.2024, 08:00
Suchbild: In diesem Gewusel verstecken sich zehn kleine Schleiereulen. Die Natur reagiert sofort auf eine hohe Mäusedichte dieses Jahres.
Suchbild: In diesem Gewusel verstecken sich zehn kleine Schleiereulen. Die Natur reagiert sofort auf eine hohe Mäusedichte dieses Jahres. (Foto: Uwe Nielitz)

Seeland/MZ - 2024 ist ein Mäusejahr. Massenhaft sind die kleinen Nager auf Ackerflächen, in Wäldern, Gärten und auf Wiesen unterwegs gewesen. „Früher gab es solch eine Massenvermehrung aller vier Jahre. Heute sind es mal mehr, mal weniger Mäuse. Aber in diesem Frühjahr ist die Population ordentlich angestiegen“, erzählt Uwe Nielitz und weiß auch, was das bedeutet: Auf Fressfeinde, wie Eulen, Greifvögel, Füchse, Möwen, Reiher oder Störche, wartete ein richtiges Schlemmerbuffet. Und das wiederum veranlasste zahlreiche Vögel, gleich zweimal in diesem Jahr ihre Jungen großzuziehen. „Mit fantastischem Erfolg“, freut sich der Ascherslebener Ornithologe. Und nennt als Beispiel die Schleiereulen.

Viele Schleiereulen

Wirklich alle Paare, die er sozusagen unter Kontrolle hatte, also wo er einen Blick in die Nistkästen werfen und die Jungen beringen konnte, überraschten ihn in diesem Jahr mit einer zweiten Brut. Die ersten Jungen hatten sie im April, Mai. „Da gab es nur wenige: drei in Hoym, in Friedrichsaue auch nur drei“, nennt er Zahlen. „Dann merkten die Euleneltern aber: Da geht noch was! Es gibt genügend Nahrung. Und legten nochmal Eier.“ Dieses Mal sogar jeweils fünf bis zehn. „Die Jungen saßen dann wie die Orgelpfeifen in den Nestern.“

Denn: Die kleinen Eulen sind unterschiedlich groß. Alle zwei Tage wird ein neues Ei gelegt. Und in diesem Abstand schlüpfen dann auch die Küken. „Und in diesem Jahr hat es so viel Futter gegeben, da wurden selbst die Kleinsten groß.“

Retter in der Not

Eins allerdings nur mit Hilfe des Ornithologen selbst. „In der Hoymer Kirche lag ein halbtotes unter den Großen. Um den Schnabel herum ein steinharter Ring aus Kot und Gewölle“, berichtet Nielitz und sagt: „Es konnte den Schnabel nicht mehr aufmachen und wäre verhungert.“ Deshalb nahm er sich des kleinen Pechvogels an.

Die Natur erledigt das von ganz allein.

Uwe Nielitz, Ornithologe

„Ich habe das Eulenjunge mit nach Hause genommen, den Schnabel saubergemacht, es aufgewärmt und für 40 Euro Mäuse verfüttert.“ Zehn Tage dauerte die Aufpäppelkur. Dann brachte der Ornithologe die wieder lebensfähige Schleiereule nach Friedrichsaue, wo es ebenfalls ein Nest voller Junge gab. „Dort passte sie von der Größe her rein und hat sich in ihrer neuen Familie prächtig entwickelt.“ Denn den Eulen sei es egal, ob es alles der eigene Nachwuchs ist. „Sie füttern alles, was den Schnabel aufreißt.“

Angesichts der guten Bruterfolge wird die Mäuseplage also gleichzeitig für die Natur zum Segen. Der Vogelexperte nickt und schwärmt: „Ich habe es noch nie erlebt, dass ich im September noch beringen konnte.“ In Hoym, Schadeleben, Friedrichsaue und Frose, wo es bei Familie Mertin beispielsweise gleich acht Junge gab. „Und garantiert sind es noch viel mehr. Unbemerkt auf irgendwelchen Scheunendächern“, glaubt Nielitz.

Mehr Nistkästen einbauen

Doch auch die entdeckten Nistkasten-Erfolge allein seien schon mehr als großartig. „Es waren alles künstliche Nistgelegenheiten. Da sieht man, wie wichtig die sind“, findet der Experte. Ein guter Grund, warum in weiteren Scheunen und Kirchen solche Kästen eingebaut und nicht alle Gebäude dichtgemacht werden sollten. Denn Schleiereulen, aber auch andere bedrohte Vogelarten, die auf Dachböden und in Häuserritzen brüten, verlieren immer mehr an Lebensraum.

Auf Gift verzichten

Zudem ist laut Nielitz die zweite Brut Indiz für ein weiteres Achtungszeichen: Gift, das bei einer Mäuseschwemme ausgebracht werde, sei eigentlich unnötig, meint er. „Vögel und Füchse bekommen das mit, wenn es viele Mäuse gibt, und machen die Population wieder klein.“ Bestes Beispiel seien die zahlreichen Störche gewesen, die sich in diesem Jahr auf den Äckern im Salzland auf Mäusejagd machten. „Die Natur erledigt das von ganz allein“, erklärt Nielitz.

Zudem bekämpfe man Mäuse nicht, wenn es sie in Massen gebe, sondern wenn es wenige seien, sagt der Ornithologe. Besser als Gift seien etwa Sitzstangen auf den Feldern, von denen aus Greifvögel jagen können. So wie es sie zum Beispiel in Badeborn gibt. „Jede Maus, die im Winter von einem Bussard gefangen wird, vermehrt sich im Frühling nicht mehr“, macht der Ornithologe den Vorteil klar.