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Tradition Vielfalt in 154 Sorten beim Tomatentag in Aschersleben

Am 11. September wird zur 10. Auflage in die Froser Straße eingeladen. Die Initiatoren blicken auf eine Erfolgsgeschichte.

Von Detlef Anders 05.09.2021, 15:00
Am 11. September dreht sich wieder alles um die Tomate.
Am 11. September dreht sich wieder alles um die Tomate. Foto: Frank Gehrmann

Aschersleben/MZ - Der 10. Ascherslebener Tomatentag rückt näher. Am Sonnabend, 11. September, lockt der Tomatengarten von 9 bis 13 Uhr sicher zahlreiche Besucher in die Kleingartenanlage Froser Straße. Mitarbeiter der Öseg Aschersleben haben mit den Organisatoren um Gisela Ewe, Rolf Bielau sowie Heinz und Gisa Hoppe die von ihnen und anderen Spendern vorgezogenen Tomatensorten gepflanzt und sich seitdem um sie gekümmert.

Über die ersten sechs Jahre der Erfolgsgeschichte hat die MZ bereits berichtet. Vom Anfang 2012 mit 102 Tomatensorten und 100 Besuchern sowie der vorherigen privaten Initiative von Gisela Ewe, die 2011 56 verschiedene Tomatensorten angebaut hatte und durch das Interesse eines MDR-Reporters auf die Idee zu etwas noch Größerem kam.

Gisela Ewe wurde schließlich zur Tomatenfrau

Im siebenten Jahr, 2018, wurde neben vielen Tomaten aus aller Welt auch ein Beet mit wiedergefundenen Sorten aus Mitteldeutschland angelegt, berichtet Gisela Ewe, die wegen ihres Hobbys in der Presse zur „Tomatenfrau“ wurde. Sie hat aus Anlass des Jubiläums sogar noch ein kleines Heft zur Geschichte ihres Projektes geschrieben. Darin geht sie auch auf die beliebte Sorte „Harzfeuer“ ein. „Richtig heißt sie eigentlich Harzfeuer F1“.

Diese sei die erste Tomatenhybride gewesen, die in der DDR in Quedlinburg von Friedrich Fabig 1959 zur Zulassung gebracht wurde. „Die Sorte entsteht aus der bewussten Kreuzung zweier ausgesuchter Kreuzungspartner durchgezüchteter Linien“, weiß Gisela Ewe. Mutter sei eine spezielle Linie aus der frühreifen Sorte „Frühe Liebe“, die ebenfalls eine Züchtung von Fabig ist, und als Vater eine Selektion aus der alten englischen Sorte „Moneymaker“, weiß die Diplom-Landwirtin.

Rolf Bielau vom Organisationsteam reicht Helga Pfaffenberg zwei Pflanzen von Gisela Ewe.
Rolf Bielau vom Organisationsteam reicht Helga Pfaffenberg zwei Pflanzen von Gisela Ewe.
Detlef Anders

2019 wurde darum ein Anbauversuch „Harzfeuer F1“ im Tomatengarten gestartet, für den 26 Samentüten verschiedener Anbieter besorgt wurden. Letztlich entsprachen die Früchte aller gezogener Pflanzen der mit F1 gekennzeichneten Samen den typischen Früchten in Aussehen, Form, Farbe und Geschmack, erinnert sie sich. „Der Sohn des Züchters Fabig besuchte den Garten und freute sich, dass mit dem Versuch auch sein Vater geehrt wurde.“ 1.000 Besucher wurden gezählt.

Gisela Ewe ergänzt, dass schon 2018 durch die Zeitschrift „GartenFlora“ des Bauernverlages in Berlin ein Anbauvergleich von gesammelten Mustern der F1 Hybride erfolgte. An der Auswertung war der Quedlinburger Dr. Rolf Bielau beteiligt, den Ewe ein Jahr zuvor für ihr Projekt gewann.

1.000 im Tomatengarten

Dass die Tomate den Namen „Harzfeuer F1“ bekam, lag übrigens an einem Zufall. Als Fabig sie 1959 zur Zulassung gebracht hatte, habe er seine Tomate „Primavera“, auch „Prima vera“ genannt und sie 1961 umbenennen müssen, da ein Züchter in der Bundesrepublik ebenfalls diesen Namen verwendete, berichtet Gisela Ewe. Auf „Harzfeuer F1“ schwören inzwischen wohl fast alle ostdeutschen Tomatenliebhaber, sagt sie.

Gisela Ewe und ihre Mitstreiter profitieren auch von den guten Beziehungen zur Ökostation Neugattersleben. Diese baut ebenfalls verschiedene Tomatensorten und -formen an. 2018 und 2019 wurde aus Neugattersleben eine Reihe ihrer Sorten in Aschersleben vorgestellt. 2019 begann zudem eine Kooperation mit dem Quedlinburger Ökogarten. Mitglieder ihrer Tomatengarten-Initiative übergaben 30 bis 50 verschiedene Sorten samt Etiketten als Jungpflanzen im Mai und bildeten fortan einen Anziehungspunkt im Ökogarten.

Der 9. Tomatentag 2020 wurde mit den Mitgliedern der Arbeitsgruppe Tomate des Vereins zur Erhaltung alter Nutzpflanzen (VEN) vorbereitet. „Die Agrarwissenschaftler Gisa und Heinz Hoppe, die Studienkollegen von Dr. Rolf Bielau und mir an der Martin-Luther-Universität Halle, Sektion Pflanzenproduktion waren, bepflanzten einige Beete im Tomatengarten mit alten erhaltenswerten Sorten aus dem Bestand des VEN“, erinnert sich Gisela Ewe. Auch dieses Projekt habe großes Interesse gefunden und wurde in diesem Jahr fortgeführt.

Aus USA, China und Russland

„In diesem Jahr steht wieder die Vielfalt der Farben, Formen und Fruchtgrößen im Mittelpunkt. Neu sind Sorten aus den USA, Russland und China“, erklärt Gisela Ewe. Die engagierte Initiatorin weist auch darauf hin, dass in den letzten Jahren mehrere fachliche Tomaten-Broschüren mit finanzieller Unterstützung der Harzsparkasse, Texten von ihr und Rolf Bielau sowie Fotos des Ballenstedter Fotografen Jürgen Meusel erstellt wurden. In den Medien sei gern über die Tomatentage berichtet worden. „Zahlreiche Züchterkollegen aus Eisleben, Aschersleben, Quedlinburg und Erfurt konnten in den Augusttagen begrüßt werden. Der Tomatentag ist fest in den Terminkalendern der Gartenfreunde aus zahlreichen Bundesländern vermerkt.“ Allerdings musste er diesmal auf den 11. September verschoben werden.

Das Thema Tomaten ist auch in den Kreisvolkshochschulen Eisleben, Aschersleben und Quedlinburg durch Vorträge von Gisela Ewe und Dr. Bielau gefragt.

Mittlerweile haben Ewe, Bielau und Hoppe 154 verschiedene Namen und Saatgutmuster von Tomaten aus Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg ermittelt. „Gleichzeitig wird damit ein Beitrag zur Bewahrung der Jahrhunderte alten Agrargeschichte unserer Region geleistet“, fasst Gisela Ewe zusammen. „Die zahlreichen Züchter, Mitarbeiter und Samenbauern werden der Vergessenheit entrissen. Und es ist der Stolz auf die Sortenvielfalt dieser Zuchtregion.“