Ermordete Juden Udo W. Stephan zweites Buch Schicksale von Juden in Aschersleben: Dunkles Kapitel der Stadtgeschichte

Aschersleben - Das handliche Heftchen enthält „Aufsätze zur jüdischen Geschichte der Stadt Aschersleben im 20. Jahrhundert“. Das klingt nüchtern und sachlich. Doch wer die Beiträge liest, taucht ein in ein Kapitel der Stadtgeschichte, das bis vor wenigen Jahren noch kaum beleuchtet wurde.
Die Texte spüren den Schicksalen jüdischer Familien nach, die einst Teil von Aschersleben gewesen sind und in unterschiedlicher Weise Opfer des nationalsozialistischen Rassenwahns wurden.
Nach der Broschüre „Geschichte der Juden in Aschersleben“ ist es die zweite Publikation von Udo W. Stephan zu diesem Thema. Seit dieser Woche ist das im Eigenverlag erschienene Heft mit zahlreichen Abbildungen in der Thalia-Buchhandlung zu bekommen.
Arbeitskreis „Jüdische Geschichte“ hat das Erscheinen des Buchs unterstützt
Dass die Geschichten von Familien wie die des Justizrates Bamberger, der Jüdin Edith Hahn Beer oder Familie Schwabe öffentlich bekannt geworden sind, ist zum einen der zehnjährigen Forschungsarbeit von Udo W. Stephan und seiner Mitautoren Claudia Andrae und David Löblich zu danken.
Aber auch dem Wirken des Arbeitskreises „Jüdische Geschichte“ und den von ihm initiierten Stolperstein-Verlegungen. Seit 2008 finden diese regelmäßig großes öffentliches Interesse.
Dem sorgsam lektorierten Heft ist ein Vorwort von Lars Bremer vorangestellt, der sich schon lange mit der Geschichte jüdischer Mitbewohner beschäftigt. Und dem es ein Herzensanliegen ist, besonders jungen Leuten Wissen darüber zu vermitteln.
Im Vorwort heißt es: „Diese Menschen sind nicht nur Gegenstand der Forschung, sondern Personen, denen Mitgefühl und würdiges Andenken gebührt. (...) In unseren Tagen, in denen Menschen jüdischen Glaubens in unserer Gesellschaft zunehmend unter Druck geraten, scheint die Beschäftigung mit unseren ehemaligen jüdischen Nachbarn und ihren Schicksalen dringend angezeigt.“
Autor Udo Stephan stammt aus Dresden und hat früher in Gatersleben gelebt
Der Autor Udo Stephan stammt aus Dresden und hat mit seiner Familie jahrzehntelang in Gatersleben gewohnt, wo er im Institut Gatersleben promovierte und arbeitete. Erst 1998 zog der historisch interessierte Wissenschaftler nach Aschersleben.
Über die Beschäftigung mit der Stadtgeschichte stieß er auf Fakten, die Teil jüdischer Lebenswege waren. Sein Eifer war geweckt, und mit Carola Anton, Lars Bremer, Claudia Andrae und anderen fand er schnell Mitstreiter. Im Stadtarchiv, so berichtet er, sei „erstaunlich viel über jüdische Familien erhalten“. Andere Quellen sind persönliche Begegnungen mit Nachkommen und das Landeshauptarchiv.
Die Broschüre liest sich mit großem Gewinn. Sie macht betroffen, aber auch froh eingedenk der Tatsache, dass es in dunkler Zeit menschlich handelnde Einwohner in Aschersleben gab. So wie Hermann Schwahn, Superintendent der Stephani-Gemeinde.
„Er wurde für sein ehrerbietiges Hut-Ziehen vor dem vom System gedemütigten Feodor Hirsch zur Gestapo zitiert, wo man ihm dies verbot“, heißt es im Text über den in Aschersleben bekannten Geschäftsmann, der die Pogrome in Aschersleben überlebte. (mz)