"Zeit einteilen keine Störungen" Thoralf Merkel vom Gymnasium Stephaneum Aschersleben gibt Tipps zum Lernen in der Wohnung: "Zeiteinteilung ist wichtig"

Aschersleben - Schulschließungen wegen Corona stellen Eltern , Kinder und auch die Lehrer vor Herausforderungen. Homeoffice und Homelearning - wie soll man das unter einen Hut bringen?
Bei vielen ist die Sorge, dass der Schulstoff wegen der fehlenden Schulwochen nicht geschafft werden kann, groß. Wie können Eltern ihr Kind motivieren, zu Hause für die Schule zu arbeiten und wie kann das organisiert werden? Und wie sinnvoll ist das häusliche Lernen überhaupt?
Thoralf Merkel, der als Lehrer für Philosophie, Ethik, Geschichte und Französisch am Gymnasium Stephaneum in Aschersleben arbeitet, gibt Tipps, wie das Lernen zu Hause funktionieren kann. Das Gespräch führte MZ-Reporterin Katrin Wurm.
Wie kann das Lernen zu Hause klappen?
Thoralf Merkel: Das Lernen zu Hause kann klappen, es gibt zahlreiche Angebote, und auch meine Schule hält viele Möglichkeiten vor, die ich - obwohl ich mich dafür interessiere - noch nicht alle erforscht und ausprobiert habe.
Die Interaktion mit den Schülern ist am Anfang das Wichtigste, damit Zugänge klappen und die Plattform erklärt werden kann. Idealerweise passiert dies natürlich im Computerraum. In der jetzigen Situation müssen die Anwendungen aber von zu Hause aus benutzt werden, das führt oft zu Problemen.
Dabei nutze ich als Krücke bekannte Messenger-Dienste, um Fragen und technische Probleme zu klären. Oft kommt man auch um einen Anruf bei einzelnen Schülern nicht herum. Ist der Anfang geschafft und jeder weiß, wie er was bedienen muss, braucht man die Dienste eigentlich nicht mehr und kann alles über dafür vorgesehene Kanäle abwickeln.
Die Möglichkeiten zu entdecken und zu nutzen, macht den Schülern viel Spaß, aber die soziale Situation in der Schule kann auch durch die beste Anwendung oder App nicht ersetzt werden.
Wie wichtig sind Pläne?
Merkel: Pläne sind natürlich wichtig, da gibt es online und offline keine großen Unterschiede.
Darf man auch mal eine Pause machen?
Merkel: Die Zeiteinteilung ist sehr wichtig. Als Lehrer stehe ich immer vor dieser Herausforderung, ständig Aufgaben im Hinterkopf zu haben, die noch zu erledigen sind. Lehrer sind niemals fertig. Vor ähnlichen Problemen stehen jetzt die Schüler.
Es gibt keine Notwendigkeit, die Aufgaben sofort oder zu einem bestimmten Zeitpunkt zu bearbeiten, wie das in der Schule der Fall ist. Das sorgt oft dafür, dass prokrastiniert wird, bis dann Zeitdruck und Stress aufkommen. Während man die Aufgaben aufschiebt, geht es einem auch nicht gut, weil die verschobenen Aufgaben im Hinterkopf für Unwohlsein sorgen.
Deshalb sollten sich Schüler feste Arbeitszeiten geben, die durchaus von den schulischen Zeiten abweichen dürfen. Viele Schüler haben, besonders während der Pubertät, Probleme damit, schon 7.30 Uhr zu arbeiten. Es ist kein Problem, erst 9 oder gar erst 11 Uhr damit anzufangen. Wichtig ist aber, dass man sich feste Zeiten setzt, in denen man dann auch wirklich arbeitet, denn nur so hat man auch Zeiten, in denen man auch wirklich frei hat.
Was, wenn man sich nicht konzentrieren kann?
Merkel: Die Anforderungen an einen guten Arbeitsplatz sind immer da, sowohl für Hausaufgaben als auch nun fürs Homelearning. Tipps sind da auch die gleichen, die wir in der Schule durchsetzen: Mobiltelefon weg, Musik aus, ein Getränk auf den Tisch und vor allem gehören Störfaktoren entfernt.
Das können der laufende Fernseher im Wohnzimmer, der bellende Hund im Garten, das sich nebenan vergnügende Liebespaar oder spielende Geschwister sein.
Und was kann man machen, wenn man mit den gestellten Aufgaben schnell durch ist und noch Kapazitäten hat?
Merkel: Das Internet ist voller Wissen. Anstatt sogenannte Nachrichten mit zweifelhaftem Gehalt auf Instagram zu teilen, kann man sich mit wirklich hervorragenden Sendungen weiterbilden. Die Lehrer können da auf alle Fälle Tipps geben. Für meine Fächer würde ich alpha-centauri oder Sternstunde Philosophie empfehlen. Über angebotene Referate zu interessanten Themen freue ich mich immer.
Stehen Sie mit ihren Schülern in Kontakt bezüglich der Lerninhalte?
Merkel: Ja, natürlich, das muss ja schon sein. Wenn meine Funktion nur in der Erteilung von Aufgaben bestünde, könnte man mich ziemlich leicht durch einen Bot ersetzen und das Land könnte eine Menge Geld sparen. Lernen besteht ja darin, neue Fähigkeiten zu erwerben.
Wenn die Schüler nur bekannte Aufgaben lösen, dann üben sie, lernen aber nichts Substanzielles hinzu. Wenn man etwas dazulernen möchte, braucht man in der Regel einen Lehrer, der kann auch per Video zu einem sprechen, aber ohne Menschen lernt man nichts.
Hilfe! Ich als Elternteil verstehe die Aufgaben nicht, aber mein Kind fragt nach einer Erklärung. Was tun?
Merkel: Dass Ihr Kind fragt, ist schonmal ein hervorragendes Zeichen. Geben Sie ruhig zu, wenn sie etwas nicht wissen und begeben Sie sich auf die Suche nach den Antworten. So beginnt die Philosophie, und aus ihr entstehen alle Wissenschaften. Seien Sie Philosoph und spüren Sie den Rätseln der Welt nach. Wenn Sie dafür partout keine Zeit haben, wenden Sie sich an den Lehrer. (mz)