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Stadtwerke Quedlinburg Stadtwerke Quedlinburg: Erster Strom nach sieben Monaten

Von Detlef Anders 20.11.2002, 17:41

Quedlinburg/MZ. - Das Jahr 1902 brachte mit dem Beschluss der Stadt, ein Elektrizitätswerk zu bauen, eine entscheidende Veränderung. Binnen sieben Monaten entstand der markante Backsteinbau in der Frachtstraße. Das 100-jährige Jubiläum des Leuchtens einer Bogenlampe, der ersten elektrischen Lampe auf dem Quedlinburger Markt und damit der Inbetriebnahme des Werkes ist der Anlass dafür, dass die Stadtwerke das E-Werk eine Woche lang in gleißendes Licht tauchen. 64 Paar Strahler sollen seit Mittwoch dafür sorgen. Außerdem ist vom Montag, 25. November, bis Freitag, 6. Dezember, im Kunsthoken eine Ausstellung geplant.

Das elektrische Licht hatte allerdings schon 1892 in Quedlinburg Einzug gehalten. Als das Bankhaus Vogler auf dem Quedlinburger Markt die elektrische Beleuchtung einführte, ließ der Magistrat der Stadt vom Stadtbaurat Voß einen neuen Entwurf für die Versorgung des Marktes, der Steinbrücke, der Pölkenstraße und des Steinweges durch eine Blockstation aufstellen. Doch weil ein verbessertes Gasglühlicht in den Handel kam, das dem elektrischen Licht in Leuchtkraft und Kosten überlegen schien, wurde von dem Plan Abstand genommen, erinnerte sich Voß 1927 in einer Festschrift zum 25-jährigen Bestehen des E-Werkes.

Erst als die Rohstoffpreise sanken und bei der Energieversorgung selbst durch hohe Netzspannungen und Lampen mit geringerer Leistung bedeutende Fortschritte erzielt wurden, änderte sich die Lage. "Dazu kam, dass das allgemeine Bedürfnis in der Stadt für eine elektrische Beleuchtung, namentlich in Geschäftskreisen, immer mehr wuchs." Voß sah zudem die Gefahr, dass sich die Zahl der Blockstationen, die einzelne Unternehmen versorgten, erhöhte und damit einer späteren Erbauung eines allgemeinen städtischen E-Werkes hinderlich sein könnten. Immerhin gab es 1901 bereits acht Einzelanlagen in Quedlinburg. 5 000 Glühlampen wurden darüber versorgt, wobei allein das Saatzuchtunternehmen der Gebrüder Dippe bereits 3 500 Grühlampen mit Strom versorgte.

Die Elektrifizierung boomte. Die Stadt wurde förmlich mit Angeboten von Großfirmen überschüttet, die in Quedlinburg ein Elektrizitätswerk bauen und auf eigene Kosten betreiben und damit natürlich selbst Geld verdienen wollten. Die angebotenen Verträge wurden abgelehnt. Voss verfasste nach umfangreichen Voruntersuchungen am 26. Februar 1902 eine Denkschrift und am 18. März 1902 beschlossen die städtischen Behörden einstimmig, den Kauf des Grundstückes und den Bau des E-Werkes. Die Stadtverordneten stimmten der Aufnahme eines 400 000 Mark Kredites bei einem Quedlinburger Bürger zu. Der Ökonomierat Fritz von Dippe beschied sich mit 3,6 Prozent Zinsen.

Das Elektrizitätswerk wurde als Gleichstromwerk für die Versorgung der Stadt bemessen und gebaut. Zunächst wurden zwei 120-PS-Leuchtgasmotoren ausgestellt, die über Riemen zwei entsprechend dimensionierte Gleichstrommaschinen antrieben. Weil die Firma Dippe auch den Moorhof mit elektrischer Energie versorgen wollte, musste wegen des langen Übertragungsweges schließlich auch eine 3 000-Volt-Drehstrommaschine aufgestellt werden, die mit einem zweiten Riemen vom Gasmotor angetrieben wurde. Für den Betriebsingenieur und den Betriebsmeister entstanden zwei Dienstwohnungen im Vordergebäude. Voß ließ das Leitungsnetz in der Stadt als Kabelnetz ausbilden. Das verursachte zwar höhere Kosten als das verbreitete Freileitungsnetz, hatte aber den Vorteil, "störungsfreier zu sein und das Stadtbild durch Ausleger oder Mast nicht zu verunzieren".

Am 15. April 1902 wurde mit dem Bau begonnen. Der Rohbau der Maschinenhalle war trotz eines vierwöchigen Streiks der Maurer am 21. Juli fertig. "Durch Einsetzen aller Kräfte" gelang es tatsächlich, dass am 20. November zum ersten Mal Strom abgegeben werden konnte. Für Oberbürgermeister Ernst Bansi schien das nichts besonderes zu sein. In seinen Memoiren schätzte er ein, dass der Bau von Voss "mit gewohnter Tatkraft" gefördert wurde.

Im ersten Geschäftsbericht vom März 1904 wird von 166 Hausanschlüssen mit einem Anschlusswert von 8 000 Glühlampen, gerade 3 000 mehr als im Vorjahr, berichtet. Es dauerte einige Jahre, bis die Quedlinburger sich für eine Umstellung entschieden. "Die Entwicklung des städtischen Elektrizitätswerkes übertraf alle Erwartungen", schätzte Voss 1927 ein. Während die E-Werke anderer Städte noch jahrelang Zuschüsse erforderten, verdiente die Stadt bald ordentlich: Kräftige Werbung und ein Ortsstatut, das fremde Installationsfirmen drei Jahre lang von der Hausinstallation ausschaltete, sorgten für eine sprudelnde Einnahmequelle, die über die schwierigen ersten Jahre hinweg half. Weil die Leistungsfähigkeit begrenzt war, mussten schon 1906 ein 250-PS-Gasmotor mit entsprechendem Elektrogenerator und eine 350 PS starke Sauggasanlage aufgestellt werden. Um die Leistungsfähigkeit zu erhöhen entschieden sich die Stadtväter 1914 für den Fremdstrombezug von der Überlandzentrale Dessau, die den Strom aus der Grube Concordia in Nachterstedt lieferte. Damit erhielt man Drehstrom und die Möglichkeit, die Firmen der Stadt zu versorgen.

1921 war ein neues Transformatorenhaus erforderlich. Das Kabelnetz wurde 1926 verstärkt und ausgebaut. Der Stadtbaurat Voss, der übrigens nicht nur Leiter des Elektrizitätswerkes, sondern auch des Gas- und des Wasserwerkes war, ermittelte in den ersten 25 Jahren einen Gewinn in Höhe von einer Millionen Reichsmark (ohne die Inflationsjahre), von dem die Hälfte in die Stadtkasse floss. 1927 waren es sogar 70 Prozent des Gewinns, die der Stadt zur Entlastung der steuerzahlenden Bürger zur Verfügung gestellt wurden.

1933 wurden die städtischen Werke in die Stadtwerke umgewandelt. 19 Jahre später folgte die Auflösung und Aufteilung in Energie- und Stadtwirtschaft. Erst nach der Wende, 1991, konnten die Stadtwerke als kommunales Unternehmen wieder gegründet werden. 1994 übernahmen sie die Straßenbeleuchtung und erhielten die Genehmigung zur Strom- und Gasversorgung. Das E-Werk in der Frachtstraße ist 1995 saniert worden. Seitdem leuchten die 100 Jahre alten Backsteine des denkmalgeschützten Baus wieder. Kundendienstmitarbeiter der Stadtwerke beraten heute hier die Bürger der Stadt und der Ortsteile. 1996 haben die Stadtwerke das Umspannwerk im Badeborner Weg übernommen. Von dort aus liegt ein 94 Kilometer langes Hochspannungsnetz und ein 175 Kilometer langes Mittelspannungsnetz. 136, davon 53 kundeneigene Trafostationen sind im Stadtgebiet verteilt. Seit 1999 schreibt das Unternehmen schwarze Zahlen.