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Seerosenteich Thale Seerosenteich Thale: Im Amphibien-Fort fielen Verhau und Palisaden

Von Stephan Neef 15.10.2002, 16:28

Thale/MZ. - Es war in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als Männer des Barons von dem Bussche-Streithorst unterhalb der Georgshöhe den idyllischen Reineckenbach aufstauten. Während viele Thalenser den Namen des 3,5 Kilometer langen, östlich der Felsenmühle in den Mühlgraben fließenden Wasserlaufs bis heute nicht kenen, avancierte der Waldteich zum beliebten Ausflugsziel vieler Sonntagsspaziergänger. Doch erst 1955 - nach Abschluss einer Entschlammungsaktion - erhielt der Weiher jene Seerosen, die ihm seinen heutigen Namen gaben.

Da hatten zahlreiche, oft seltene Tiere das Areal schon längst als ideales Laich- und Einstandsgebiet entdeckt - ob Berg- oder Teichmolch, Grasfrosch oder Erdkröte, Ringelnatter, Feuersalamander oder Waldeidechse. Ihnen zuliebe ließ die Thalenser Stadtverwaltung das Feuchtbiotop nach der Wende festungsartig ausbauen.

Mit Fördermitteln des Umweltministeriums wurden Maschendraht- und Jägerzäune gezogen und mannshohe Palisaden-Wände in den Boden gestampft. Ziel war die "Zwangsführung" menschlicher Besucher, wie es damals hieß. Der südliche Talhang wurde großflächig gerodet, auf dem baumlosen Terrain entstanden aus fast 40 Tonnen Granitbruchstein drei imposante Trockenmauern - als potenzielles Liebesnest für paarungswillige Lurche. Die Untere Naturschutzbehörde wurde vor vollendete Tatsachen gestellt, räumt Veronika Karthäuser ein, die für Artenschutz und Schutzgebiete zuständige Mitarbeiterin der Behörde.

Am 24. Februar 1993 erklärte der Landkreis das Biotop zum Flächennaturdenkmal. Doch zu diesem Zeitpunkt war der umstrittene Ausbau bereits weitgehend abgeschlossen, im März wurde er der Presse vorgestellt, im Mai offiziell übergeben. Ökologen kritisierten den "extrem naturfernen Zustand" der Anlage, mit der Natur und Mensch wie in einem Zoo getrennt würden. Auch als Lehrobjekt war der Teich nicht mehr geeignet, weil er - vor allem jüngeren - Schülern die nötigen Einblicke verwehrte. Wanderer zogen nach kurzem Zwischenhalt weiter, niemand konnte im Angesicht von wehrhaften Palisaden und Drahtgeflecht die Seele baumeln lassen.

Das ist nunmehr Geschichte. Die Gesellschaft für Arbeitsförderung (GfA) hat das Naturdenkmal "in einen Zustand versetzt, den Fachleute empfehlen", beschrieb Veronika Karthäuser die neue Maßnahme. Ihre Behörde hatte zuvor den Gewässer-Ökologen Ulrich Heitkamp beauftragt, Seerosenteich und Reineckenbach als Lebensraum "faunistisch zu erfassen und naturschutzfachlich zu beurteilen". Die entsprechende Studie wurde Grundlage eines Pflege- und Entwicklungsplans, der nun umgesetzt wird.

Am aufwendigen Rückbau der von ihr konzipierten Frosch-Festung ist die Stadt nicht ganz schuldlos. Schließlich habe die Kommune seit 1995 immer wieder umfangreiche Pflege- und Baumaßnahmen beantragt, weil die Anlage ständig unter Witterung und Vandalismus gelitten habe, wie Karthäuser weiß. Ein solches Biotop werde aber nicht als Naturdenkmal ausgewiesen, um immer wieder schwerwiegende Eingriffe in das System vorzunehmen, die den Erhalt des Denkmal-Status sichern sollen. Stattdessen müsse die Eigendynamik des Gewässers und seines Umfeldes gefördert werden - das jedoch nur durch behutsame Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen. Um die Uferbefestigung zu schonen, wurden die Palisaden nicht ausgegraben, sondern unterhalb der Bodenoberfläche abgetrennt und durch eine nur kniehohe Holz-Umzäunung ersetzt, erläutert GfA-Vorarbeiter Helmut Hulsch.

Der Querdamm, der den Teich in Ober- und Unterbecken teilt, erhielt eine Naturstein-Decke. Um die Durchgängigkeit des Fließgewässers wieder herzustellen, läuft der Großteil des Wassers künftig durch den Umflutgraben - eine steinerne "Weiche" reguliert die Wasserzufuhr für den Teich, bei Niedrigwasser wird sie gestoppt. Projektleiter Joachim Schmidt ist zufrieden: "Natur muss erlebbar sein", genau das sei nun wieder möglich.