Schloß Hoym Stiftung Schloß Hoym Stiftung: Hat Betreuuer einen Behinderten gewürgt?
Aschersleben - Es war wie so oft in solchen Fällen. Es gab einen Verdachtsmoment, der Verdächtige stritt alles ab. Wahrscheinlich ging es bei der Begegnung an einem heißen Sommertag im vergangenen Juli nicht nur sachlich zu. „Ein Wort fiel ins andere“, schilderte jedenfalls der Angeklagte.
Was danach folgte, muss seit Mittwoch das Amtsgericht Aschersleben klären. Die Staatsanwaltschaft wirft einem ehemaligen Betreuer der Schloß Hoym Stiftung vor, einen geistig behinderten Heimbewohner mit einem Handtuch gewürgt und mit der Faust ins Gesicht geschlagen zu haben. Bei einer Verurteilung droht ihm im schlimmsten Fall eine Freiheitsstrafe.
Der Angeklagte streitet ab, so brutal vorgegangen zu sein. Es war nach Angaben der Stiftung der erste derartige Übergriff in der Einrichtung.
Angeklagte arbeitete viele Jahre bei Schloß Hoym Stiftung: Hat er einen Behinderten gewürgt?
Auf der Anklagebank sitzt diesmal nicht der typische Verdächtige, den Amtsrichter Robert Schröter sonst bei Anklagen wegen gefährlicher Körperverletzung vor sich hat. Es ist vielmehr ein alter, spätestens seit seiner fristlosen Entlassung aus der Schloß Hoym Stiftung, gebrochener Mann. Immerhin verbrachte er große Teile seines Arbeitslebens in der Einrichtung; zunächst als Handwerker, nach dem Mauerfall als Heilerzieher-Pflegehelfer.
Die Haare des 60-Jährigen sind längst ergraut, die Falten liegen tief in der Stirn und die Augen wirken durch die Brille klein. Er spricht viel über den Vorfall, schildert die Zeit davor, währenddessen und danach. Ja, er habe das Handtuch benutzt, allerdings nur, um den Heimbewohner an sich heranzuziehen. Nein, das Handtuch befand sich nicht um seinen Hals. „Ich habe ihn zu keiner Zeit gewürgt und auch nicht ins Gesicht geschlagen.“
Diese Aussage steht allerdings in einem wichtigen Punkt im krassen Gegensatz zu dem, was die einzige Belastungszeugin, eine ebenfalls ehemalige Betreuerin, zum Vorfall in einer der Wohngruppen sagte. Die heute 28-Jährige sah nach eigenen Angaben aus ein paar Metern Entfernung, wie der Angeklagte das Handtuch um den Hals des Heimbewohners legte und es sozusagen zuzog.
Sie habe zunächst nichts gesagt, nach ein paar schlaflosen Nächten meldete sie den Vorfall der Heimleitung aber doch, die dann Anzeige erstattete, wie Geschäftsführer René Strutzberg auf MZ-Anfrage erklärte. „So ein Vorgang erfordert volle Transparenz und Konsequenz, denn das bedeutet Prävention für die Zukunft.“
Hintergrund: Bei Zweifeln an der Zuverlässigkeit werde der Mitarbeiter sofort vom Dienst freigestellt und Anzeige erstattet - wohlwissend, dass das „eine öffentliche Berichterstattung nach sich ziehen kann“, so Strutzberg. Er verwies auf Dienstanweisungen sowie Rahmenrichtlinien, an die sich die Mitarbeiter auch im Umgang mit Gewalt zu halten haben.
Auf die Angaben der 28-jährigen Zeugin stützte sich indes nicht nur die Anklage selbst, sie werden letztlich auch einen wichtigen Teil im Plädoyer der Staatsanwaltschaft darstellen.
Wurde ein behinderter Bewohner der Schloß Hoym Stiftung gewürgt? Vermeintliches Opfer kann nicht aussagen
Das allerdings wird erst beim Fortsetzungstermin am 26. April erwartet. Denn auch wenn sich Richter Schröter größte Mühe gab, den geistig behinderten Heimbewohner zum Übergriff zu befragen: Nach mehr als einer halben Stunde musste Schröter konstatieren: „Wir können mit dem Zeugen nicht ganz so viel anfangen.“
Der Mann verstand nur geschlossene Fragen, verstrickte sich dennoch in Widersprüche. An die Tat selbst wollte oder konnte er sich nicht mehr erinnern. Schwer zu verwerten werden wohl auch Aussagen zwei anderer Heimbewohnerinnen sein, die bei der Tat dabei waren.
Einen kleinen Einblick in die berufliche Beziehung zwischen dem Heimbewohner und dem Angeklagten lieferte der Angeklagte selbst. Demnach kennen sich beide nicht nur seit fast zwei Jahrzehnten. Der 60-Jährige war lange Zeit auch seine Bezugsperson.
Einfach war es dabei wohl nicht immer: Der Heimbewohner sei aggressiv gewesen und habe seinen Zimmerpartner schikaniert. Es seien wohl auch schon Stühle und Tische geflogen. Auch sei der Mann durch Diebstähle in verschiedenen Supermärkten in Hoym und durch Lügen aufgefallen, so der Angeklagte.
Offenbar deshalb glaubte der 60-Jährige dem Heimbewohner nicht, als dieser abstritt, seinem Zimmerpartner eine leere Flasche gestohlen zu haben. Mit diesem Vorwurf hatte der Angeklagte ihn konfrontiert. Dabei „ist er mir gleich dumm gekommen“. Zunächst habe er versucht ruhig zu bleiben, später habe er sich jedoch „reingesteigert“.
Er habe das Handtuch, das er zuvor um seinen Hals trug, weil es warm war, um den Oberkörper des Heimbewohners gelegt und ihn zu sich herangezogen, „um körperliche Nähe zu schaffen“. Da der geistig behinderte Mann aber wie „im Wahn“ gewesen sei, habe er nach einigen Minuten abgelassen. (mz)