Sagenhaftes Aschersleben Sagenhaftes Aschersleben: Möhrenkopp und Rathauselle

Aschersleben/MZ - „Du bist ein Möhrenkopp!“ Ist das ein Schimpfwort beziehungsweise eine Beleidigung? Nein, ist es nicht. Es ist sogar etwas Gutes. Ein „Möhrenkopp“ sei jemand, der voraus denkt: „Früher haben die Ascherslebener ihre Möhren nicht gegessen sondern ins Beet geschossen, um davon Samen zu gewinnen und diese dann zu verkaufen“, erklärt Brigitte Wohlrab, Stadtführerin von der Aschersleber Kulturanstalt (Aka).
Am Samstagnachmittag leitete sie die thematisierte Stadtführung „Sagenhaftes Aschersleben“. Trotz des ungemütlichen Wetters mit Regen und kaltem Wind sind um die 30 Teilnehmer gekommen, um sich Legenden, Sagen und Mythen der Stadtgeschichte anzuhören.
Betrügerischer Tuchmacher
Vom Treffpunkt an der Touristen-Information aus bewegte sich die Menschentraube Richtung Marktplatz und Rathaus. Brigitte Wohlrab suchte einen regengeschützten Platz für die ganze Gruppe und erzählte die Geschichte von einem Tuchmacher namens Tobias Lutterbusch.
Der Sage nach verkaufte dieser seine Waren auf dem Markt in Aschersleben - sehr zu seinen Gunsten! Doch den Käufern sei das aufgefallen und so beklagten sie sich über die zu kurz geratenen Maße. Als diese Nachricht den Marktmeister erreichte, stellte er den Betrüger zur Rede. Tobias Lutterbusch behauptete jedoch, dass seine hölzerne Elle von der Sonne eingetrocknet gewesen sein muss. Doch als das Maß immer kürzer wurde und er so immer mehr den Ärger der Käufer auf sich zog, veranlasste der Marktmeister, den Betrüger zu bestrafen. Dieser wurde dann am Rathaus an den Pranger gebracht. Dort musste er mehrere Stunden lang verharren und sich von den wütenden Bürgern beleidigen und mit Geschossen aller Art bewerfen lassen. Das sei ihm eine Lehre gewesen und er schwor, dass er nie wieder betrügen würde. Doch um auf Nummer sicher zu gehen, ließ der Marktmeister eine eiserne Elle am Rathausturm befestigen, welche dort noch bis heute hängt.
Das sei nicht die einzige besondere Geschichte, die man über das Rathaus in der ältesten Stadt Sachsen-Anhalts erzählen könne. So machte Brigitte Wohlrab dort auf den „Möhrenkopp“ aufmerksam, welcher eine der vielen Dachgauben ziert. Und auch die Ziegenböcke an der Rathausuhr, welche zu jeder vollen Stunde ihre Köpfe zusammenstoßen, haben eine ganz besondere Bedeutung. Sie sollen sich der Sage nach auf einem Steg begegnet sein. Dieser war aber so schmal, dass die beiden Böcke nicht aneinander vorbei gehen konnten. Statt eine der Ziegen ein paar Schritte zurück machte und die andere gewähren ließ, kämpften sie so lange bis am Ende beide ins Wasser fielen. „Eine Symbolik, die noch bis heute Bedeutung hat“, erzählt Brigitte Wohlrab.
Denkanstoß für die Stadtväter
Und so sollen die Ziegenböcke ein Denkanstoß für die Stadtväter sein. Die Räte sollen lieber miteinander reden und verhandeln, statt stur dem anderen gegenüber zu bleiben. Vom Rathaus aus ging es dann über die Breite Straße - an der Stephanikirche vorbei - zum Promenadenring mit seiner historischen Stadtbefestigungsanlage. Wo heute Passanten wie selbstverständlich spazieren gehen, befand sich früher ein 22 Meter breiter und sechs Meter tiefer Wassergraben, der die Kernstadt vor ungebetenen Gästen schützen sollte. Das sollten auch die Stadttürme, zu deren Namen Brigitte Wohlrab so manche Geschichte erzählen konnte. Beispielsweise zum Rabenturm. An diesem führte in früheren Zeiten der Weg zum Galgen vorbei, wo bereits die Raben kreisten.
„Ich finde diese Führung sehr spannend und man kann viel über die Geschichte der Stadt lernen“, so die 14-jährige Lea aus Staßfurt. Sie besucht das Dr.-Frank-Gymnasium und ist mit der Arbeitsgemeinschaft für Geschichte extra für die Stadtführung nach Aschersleben gekommen. Denn „leider gibt es so etwas in Staßfurt nicht“, bedauert Leas Klassenkameradin Marianne.

