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Radeln auf der Bahnstrecke Radeln auf der Bahnstrecke: Und die Holländer winken dann freundlich

Von Kurt Großkreutz 22.09.2019, 10:57
Der Radweg soll im Oktober übergeben werden.
Der Radweg soll im Oktober übergeben werden. grosskreutz

Aschersleben - Radfahrer sind nicht verwöhnt. Von einem Radwegkonzept können sie vielerorts nur träumen, Anbindungen an  touristische Anziehungspunkte lassen oft zu wünschen übrig.

Der herbeigesehnte Radweg zwischen Aschersleben und Ermsleben und damit die Erreichbarkeit des Harzes und des Fernradfahrweges „R 1“ lassen seit Jahren auf sich warten. Eine Lösung ist nicht in Sicht.

Die ehemals durchaus ansprechende Verbindung zum Concordiasee hat so gelitten, dass man sie kaum empfehlen kann. Das peinliche Kompetenzpoker hat den Abschnitt im Bereich Neu Königsaue so in Mitleidenschaft gezogen, dass man hier leider die Straße vorziehen muss. Es ließen sich noch weitere Mängel aufzählen, die aber hier keinen Platz finden sollen.

Radeln auf der Bahnstrecke: Neuer Abschnitt wird auch Ascherslebener Radfreunde in seinen Bann ziehen

Vielmehr geht es um einen Glanzpunkt für den Fahrradtourismus in unserer Region, der seine Schatten vorauswirft. Gemeint ist der neue Abschnitt von Ballenstedt nach Gernrode. Wenn das auch etwas entfernt von Aschersleben liegt, so wird dieser Weg nicht nur viele Ascherslebener Radfreunde in seinen Bann ziehen.

Das trifft vor allem zu, weil die Strecke ohne nennenswerte Anstiege auf der alten Bahnlinie von Frose nach Gernrode verläuft. 1868 wurde diese Bahnverbindung eröffnet und 1998 stillgelegt. Der ehemalige Bahndamm ist nun komfortabel betoniert und kann mit seinen naheliegenden Sehenswürdigkeiten wie dem Schloss und Park Ballenstedt, der Roseburg oder dem Osterteich punkten. Und das nicht nur für die Radler, sondern auch für Spaziergänger, Skater oder Scooterfahrer.

Außerdem bietet der umgebende Wald nicht nur Windabgeschiedenheit, sondern auch angenehmen Schatten an heißen Tagen. Schließlich sei auch die Anbindung an die Harzer Schmalspurbahn ab Gernrode erwähnt.

Radeln auf der Bahnstrecke: Bahnhof Rieder ist jetzt Feriendomizil

Bei einer Probefahrt auf dem noch nicht übergebenen Radweg fiel der ehemalige Bahnhof Rieder auf. Das attraktive Gebäude hat holländische Besitzer gefunden, die es vom Dach bis in den Keller saniert haben. Die Familie von Dijk aus Apeldoorn hat das Gebäude erstanden und nutzt es als Feriendomizil.

Auf der Terrasse sitzt die Familie Bakker, die es sich in den Ferien schon zum fünften Mal hier gemütlich macht. Schnell kommt man mit dem jungen Ehepaar und den beiden Kindern im Vorschulalter ins Gespräch.

Radeln auf der Bahnstrecke: Niederländer sind geschäftstüchtig

Die unkomplizierten und gastfreundlichen Niederländer sind Tochter bzw. Schwiegersohn der Familie von Dijk und haben sich in den Harz verliebt. Die Wälder und Ruhe des Mittelgebirges mit seinen vielfältigen Freizeitaktivitäten haben es ihnen angetan.

Dass mit dem neuen Radweg nun viel mehr vor ihrer Terrasse los sein wird, stört sie überhaupt nicht. Freundlich winken sie den Passanten zu, die sich erwartungsfroh auf die Erkundung des neuen Weges gemacht haben.

Geschäftstüchtig, wie die Holländer sind, haben sie schon an eine Übernachtungsmöglichkeit für müde Wanderer oder einen Eisverkauf für ins Schwitzen geratene Radfahrer gedacht, sagen sie.

Fragt man die neugierigen ersten Benutzer des Radweges nach der Fertigstellung, so schaut man nur in ratlose Gesichter. Ein Zeichen dafür, dass die Erbauer scheinbar wenig Reklame für den Weg im Vorfeld der Eröffnung machen. So war es also angebracht, bei kompetenter Stelle nachzufragen, wie es hier weiter gehen soll.

Radeln auf der Bahnstrecke: Teil der Strecke gekauft

Jan Lämmerhirt, der Geschäftsführer der BAL Stadtentwicklungs-GmbH von Ballenstedt, kann genau über den Stand der Dinge Auskunft geben, war er doch von Anfang an in das Projekt involviert. Das Potenzial der stillgelegten Bahnstrecke von Frose nach Gernrode hatte man in Ballenstedt schnell erkannt und kaufte 2013 von der Eisenbahn-Verwertungsgesellschaft den Teil der Strecke, der durch den Ballenstedter Verwaltungsbereich führte.

Der Versuch, die Stadt Falkenstein/Harz mit ins Boot zu nehmen, scheiterte. Schade, denn so wäre eine Weiterführung des Radweges bis Frose und damit bis zum Concordia See möglich gewesen. Nun ist diese Chance vertan.

Radeln auf der Bahnstrecke: 700.000 Euro Kosten für 4,5 Kilometer

Nach der Ausschreibung und Vergabe des Bauauftrages an den Landesstraßenbaubetrieb Sachsen-Anhalt konnte im Februar 2019 mit dem Ausbau des Radweges auf dem ehemaligen Streckenverlauf der Bahnlinie von Ballenstedt/Ortsausgang bis Gernrode begonnen werden.

Die Übergabe ist am 4. Oktober um 12 Uhr geplant. Die Kosten belaufen sich für die 4,5 Kilometer lange Strecke auf etwa 700.000 Euro. Im nächsten Jahr soll die Verlängerung über drei Kilometer bis zum ehemaligen Ostbahnhof Ballenstedt in Angriff genommen werden.

Inwieweit der neue Radweg als Bestandteil des Fernradweges „R1“ einbezogen wird, muss noch mit dem bisherigen Verlauf auf dem Fürstenweg abgestimmt werden.

Genutzt wird der neue Radweg schon jetzt von Alt und Jung, vom Radler bis Skater oder vom Wanderer bis Jogger. Die verantwortlichen Mitarbeiter der Stadt Ballenstedt und ihrer BAL Stadtentwicklungs-GmbH sind jedenfalls jetzt schon stolz auf das Erreichte und fiebern gespannt der feierlichen Eröffnung entgegen.

Die Ascherslebener können schon eine Probefahrt oder eine Testwanderung in Angriff nehmen, um auch bei der offiziellen Eröffnung dabei zu sein. (mz)

Die Familie Bakker macht hier Urlaub.
Die Familie Bakker macht hier Urlaub.
grosskreutz
Der alte Bahnhof in Rieder.
Der alte Bahnhof in Rieder.
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