Nachterstedt Nachterstedt: Alles was man braucht

Nachterstedt - Wer in Nachterstedt „mal eben“ etwas braucht, der muss nicht zwangsläufig weit fahren. Direkt im Ort befindet sich so gut wie alles, was die Nachterstedter zum Leben brauchen. Neben den Einkaufsmöglichkeiten, wie dem Supermarkt und dem Fleischer, gibt es für medizinische Hilfe einen Arzt und eine Apotheke. Die Kinder können vom Kindergarten unmittelbar in die Grundschule übergehen und haben die Möglichkeit, darauffolgend die Sekundarschule zu besuchen. Der Sportplatz mit der neuen Turnhalle bietet für alle die Möglichkeit sich auszutoben. Wer möchte, kann sich aber auch in der Kneipe nebenan Sport mit Bier und Freunden einfach im Fernsehen anschauen. Für Feste dient nicht nur das Dorfgemeinschaftshaus, sondern auch der Rathausplatz als Veranstaltungsort. Arbeitsplätze schaffen große Betriebe wie Ju-Metall oder Novelis in der Nähe, aber auch kleinere Gewerbe haben sich angesiedelt.
So konnte sich Dagmar Brückner in Nachterstedt mit ihrem Textilstübchen „Marlen“ einen Traum verwirklichen. Seit über 25 Jahren entwirft und näht die technische Zeichnerin bereits Kleidungsstücke und Gardinen in ihrem kleinen Laden hinter dem Haus. Wohnhaft ist die 67-Jährige schon seit beinahe 50 Jahren im Ort. Sie und ihr Mann Horst, der gebürtiger Nachterstedter ist, haben in diesen Jahren viele Veränderungen sowie Höhen und Tiefen im Ort miterlebt.
Wenn sie in all den Jahren eins festgestellt haben, was so eine Gemeinde wie Nachterstedt lebenswert und lebendig macht, dann seien es vor allem engagierte Menschen und ein freundliches Miteinander. Um ein harmonisches Zusammenleben aufrecht zu erhalten, finden sie es wichtig, dass sich die Leute untereinander offen und hilfsbereit gegenüberstehen, auch gegenüber Zugezogenen oder Asylsuchenden. Deshalb gehen die Brückners als Vorbild voran und unterstützen den Ort und ihre Mitmenschen nach bestem Gewissen, um so ein harmonisches Dorfleben weiterhin zu fördern.
Auch Angelika (68) und Hans (73) Kral finden, dass vor allem die Menschen den Ort lebendig machen. Besonders durch die vielen Vereine und verschiedene Aktivitätsgruppen und Organisationen finde man immer eine Beschäftigung und auch Freunde, die zusammenhalten. Das ist unter anderem auch der Grund, warum sie in Nachterstedt geblieben sind, obwohl sie nach dem Erdrutsch im Jahr 2009 ihr Haus in der Bahnhofstraße verlassen mussten. „Die Nachterstedter waren für uns da, als wir Hilfe brauchten“, so die Krals.
Im Jahre 961 wurde der Ort laut Kurzchronik als „Nachterstide“ erstmalig in einer Schenkungsurkunde von König Otto II. erwähnt. Nachterstedt war im Mittelalter ein am Ufer des Aschersleben-Gaterslebener Sees gelegenes Fischerdorf. Das schlägt sich im Wappen nieder, welches den See mit Fisch und Schwan zeigt. Der See wurde 1704 bis1709 trockengelegt und zu Ackerland umfunktioniert. Um 1850 gab es erste Braunkohlefunde und der erste Tagebau ’Concordia’ wurde eröffnet. In den Jahren 1927 bis 1951 musste das ganze Dorf mit rund 2.000 Einwohnern und entsprechender Infrastruktur nach und nach dem Braunkohleabbau weichen. So wurde weiter südlich ein neues Dorf mit identischem Namen errichtet.
1991 Ende des Braunkohlewerkes Nachterstedt. Das Tagebaurestloch soll anderweitig genutzt werden. 1992 wurde der Förderkreis Seeland gegründet, um die Rekultivierung und touristische Nutzung des Sees zu fördern. 1996 wurde der ehemalige Tagebau geflutet, am 15. Juli 2009 die Stadt Seeland gegründet. Drei Tage später der Erdrutsch - Unglück am Südufer.
Dass eine Gemeinschaft im Dorf vorhanden ist, merkt auch der Bürgermeister Siegfried Hampe und lobt das Engagement seiner Mitbürger, die sich selbst - egal ob als Vereinsmitglied oder Einzelperson - für die Gestaltung des Ortes einbringen, um Nachterstedt lebenswerter zu machen.
Es sei wünschenswert, dass der Zusammenhalt weiterhin bestehen bleibt und das nicht nur oberflächlich und auch außerhalb der eigenen Gemeinde. Die Dorfbewohner wollen auch die Beziehungen zu den anderen Ortschaften im Seeland pflegen und sogar vertiefen. Das liege auch im Interesse des Bürgermeisters. Er versuche jegliche Probleme zu lösen. Dafür, sagt er, sei es aber wichtig, dass die Ortschaften ausführlich miteinander reden und gemeinsam an einem Strang ziehen, statt gegeneinander zu arbeiten.
Ein viel größeres Problemkind für wohl alle ist der Condordia See. Hampe ist angesichts der Unglücksfälle am ehemaligen Tagebau, der eigentlich als Tourismus- und Erholungsgebiet genutzt werden sollte, traurig gestimmt. Auch Familie Kral bedauert, dass das Seeland-Projekt nur schwer vorangeht. Die Nachterstedter wünschen sich, dass das Projekt in Zukunft wieder fortgeführt und der Tourismus angekurbelt wird. „Das würde den Ort auch für Besucher lebenswerter machen“, so Angelika Kral.
Und wer doch einmal aus Nachterstedt raus will, um etwas anderes zu sehen oder einer Arbeit außerhalb des Dorfes nachgehen möchte, der hat einen Bahnhof und mehrere Bushaltestellen vor der Tür - oder die direkte Anbindung zur B 6n. (mz)