Lesung Wladimir Kaminer in Aschersleben Lesung Wladimir Kaminer in Aschersleben: Einfach cool bleiben

Aschersleben - „Finden Sie nicht auch, dass das Wort Dostoprimetschatelnosti eine sinnlose Aneinanderreihung von Silben ist?“, fragte Wladimir Kaminer bei seiner Lesung am Samstag im Ascherslebener Bestehornhaus die Besucher. Die krümmen sich vor Lachen, fällt ihnen doch gleich der ungeliebte Russisch-Unterricht ein. Damals bekam man Eintageskrankheiten, wenn das Fach anstand - heute erkranken Kaminers Kinder plötzlich, wenn sie in der nullten Stunde zum Latein-Unterricht müssen.
Über Geschichten vom Kühlschrank seiner Schwiegermutter, von den Gartennachbarn, die in ihrem russischen Wortschatz nach Redewendungen kramen, um ihre Gastfreundschaft auszudrücken, bis hin zum unangekündigten Besuch aus Russland, der nach Wodka verlangt, berichtet der gebürtige Russe vor zahlreichen Zuhörern.
Vor zwei Jahren war er bereits in Aschersleben zu Gast, viele seiner Leser sind wiedergekommen, um ihm zuzuhören. „In der Sowjetunion gab es keine Pubertät. Aber ich erlebe sie erneut, meine Kinder stecken voll drin“, sagt der Vater, der dazu rät, cool zu bleiben wenn die Kinder erwachsen werden. Mütter und Väter im Publikum verstehen, was er meint und schmunzeln bei Ausreden wie: „Die Katze hat den Cognac getrunken, die Zigarren gefunden und die 50-Kilogramm schwere Palme durchs Zimmer geschleppt. Wir haben den ganzen Tag Hausaufgaben gemacht, als ihr im Urlaub wart.“
In der Pause steht der Autor bereit für Fotos und signiert die frischerworbenen Bücher. „Morgen gleich wird angefangen mit Lesen“, sagt Astrid Ewe aufgeregt. Im Bücherschrank stehen fast alle seine Werke, weil die Ascherslebenerin so gern über die Geschichten lacht. „Man lernt, viele Situationen im Leben leichter zu nehmen. Ich hab mich oft wiedererkannt“, sagt Kathrin Lange aus Halberstadt. Für ihre Enkelkinder hat Renate Koch zwei Exemplare von dem neuen Buch „Coole Eltern leben länger“ gekauft. Das sei genau das Richtige – leicht, lustig und hintergründig.
Kaminer selbst ist mit seinem Besuch in Aschersleben zufrieden. Die Stadt an der Eine sei sympathisch. „Ich fühle mich hier verstanden“, sagt er. „Aschersleben ist eine kleine Stadt, ich habe das Gefühl, hier kennt jeder jeden und Sie freuen sich über einen Fremden, der zum Geschichtenerzählen vorbeikommt.“ Im zweiten Teil der Lesung spricht Kaminer über Gegenstände von früher, die ihre Bedeutung verlieren und eine neue erhalten haben. Es geht um Klischees und Modelleisenbahnen. Vielleicht seien die Ostdeutschen nur auf die Straße gegangen, weil sie es leid waren, mit der Eisenbahn im Kreis zu fahren? Fakt ist, sie reagieren immer noch auf das Geräusch von Zügen. Karla Gierak hat den Schriftsteller und Kolumnist zum ersten Mal erlebt. Eine Freundin wollte her und hat die Thalenserin mitgenommen. Die ist begeistert: „Er sieht uns aus einer ganz anderen Perspektive und nimmt uns auf die Schippe, weil er kein Deutscher ist. Herzerfrischend!“