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Lesen «Vom bunten Grau» und «Schweigen tut weh»

08.04.2008, 16:31

Aschersleben/MZ. - Das verriet Ulrich Gerstner den Zuhörern der Frühjahrslese am Dienstagabend in der Kreisbibliothek in Aschersleben. Er wie die Kulturamtsleiterin der Stadt Aschersleben, Siegrun Ponikelsky, hatten ihr Lieblingsbuch mitgebracht und gingen mit ihrem Publikum auf Buchfühlung.

In "Grau ist bunt - Was im Alter möglich ist" erzählt Scherf, der ehemalige Regierungschef Bremens, über das Älterwerden und seinen sogenannten Ruhestand, beschreibt sich damit als prototypisches Vorbild der "jungen Alten". Im privaten Diskurs über seine Planung der letzten Lebensphase, vom Auszug der Kinder aus der elterlichen Wohnung über den Abschied aus dem geliebten Bremer Rathaus bis hin zur Gründung seiner Hausgemeinschaft, die heute gern als "berühmteste Wohngemeinschaft Deutschlands" bezeichnet wird. Dabei bleibt er der Politiker Scherf, der programmatisch und visionär neue Wohnformen für das Alter propagiert, der den Jugendwahn zu Grabe trägt, der ein ganz neues Verständnis von Arbeit und Freizeit heraufdämmern sieht, der ganz handfest angesichts der demografischen Entwicklung eine längere Lebensarbeitszeit fordert und einen Systemwechsel in der Pflege.

In der Familienchronik "Schweigen tut weh", die Siegrun Ponikelsky mitgebracht hatte, beschreibt die Journalisitin Alexandra Senfft die eigene, schwierige Familiengeschichte. Ihr Großvater Hanns Ludin war seit 1941 deutscher Gesandter in Bratislava und für die Deportation der slowakischen Juden in die Vernichtungslager mitverantwortlich. 1947 wurde er in Bratislava als Kriegsverbrecher zum Tode verurteilt und hingerichtet. Ihre Großmutter tat alles, um die Verbrechen des Vaters vor den Kindern zu verbergen. Sein jüngster Sohn Malte setzte sich in seinem Dokumentarfilm "2 oder 3 Dinge, die ich von ihm weiß" 2004 erstmals mit der Vergangenheit seines Vaters auseinander. Alexandra Senfft schildert dagegen das Leben ihrer Mutter Erika, die als Einzige von der Hinrichtung des Vaters wusste, aber nicht darüber sprach. Erika Ludin zerbricht an dem Konflikt zwischen Schuld und Loyalität und der Unfähigkeit, um den Vater zu trauern.

Über das individuelle Schicksal Erika Ludins hinaus thematisiert das sehr persönliche Buch auch das für die deutsche Nachkriegsgeneration typische Verschweigen und Verdrängen innerhalb der Familie. Der literarische Abend in der Kreisbibliothek wurde musikalisch hervorragend umrahmt vom Gitarrenensemble der Kreismusikschule unter Leitung von Beate Peßler.