Künstlerwerkstatt in Aschersleben Künstler aus ältester Stadt Polens malt jetzt in ältester Stadt Sachsen-Anhalts
Ziemowit Fincek ist Teilnehmer im Sommer-Atelier-Programm in Aschersleben und findet die Stadt sehr inspirierend.

Aschersleben/MZ - Eigentlich hatte er eine Serie von zehn Bildern geplant, doch schon jetzt sind es 13. „Aschersleben hat einen positiven Effekt auf meine Kreativität“, sagt Ziemowit Fincek. Der 34-Jährige ist einer der Künstler, die am diesjährigen Sommer-Atelier-Programm teilnehmen. Passenderweise hat es ihn aus Kalisz, der ältesten Stadt Polens, in die älteste Stadt Sachsen-Anhalts verschlagen. Seit 14. Juni lebt und arbeitet er nun in Aschersleben, bleiben wird er noch bis 6. September.
„Auf den ersten Blick wirkt es, als wäre hier nicht viel los. Aber für mich sind es lauter neue Eindrücke“, schildert Fincek seinen Aufenthalt. Für ihn habe der Schaffensort großen Einfluss auf das Endergebnis. Er sagt: „Kunst ist immer ein Ausdruck des Lebens und des Denkens. Ändert sich der Ort, macht man eine neue Erfahrung, kommen neue Einflüsse hinzu.“ Demnach hätte er ein Bild, das er während seiner Zeit in Aschersleben malt, zu keinem anderen Zeitpunkt, an keinem anderen Ort der Welt schaffen können. Es hätte sich durch andere Erfahrungen und Einflüsse unterschieden.
Vom Sommeratelier habe Fincek durch den befreundeten Maler Simon Sieratzki, der selbst vor zwei Jahren im Rahmen des Projekts in Aschersleben weilte, erfahren. „Durch ihn habe ich von den tollen Voraussetzungen und dem förderlichen Umfeld gehört“, sagt Fincek. Er ist gerne in Aschersleben und würde wieder am Sommeratelier teilnehmen. „Aber frühestens in 20 Jahren“, meint er, „bis dahin brauche ich neue Herausforderungen für neue Erfahrungen an anderen Orten.“
Für Fincek ist dies nicht nur die Voraussetzung eines beständigen kreativen und persönlichen Entwicklungsprozesses, es hat auch eine Kontrollfunktion. Wenn er merke, dass er etwas nachmache oder wiederhole, müsse er sofort den Pinsel beiseite legen. „Es ist schlimm, einen anderen Künstler zu kopieren, aber noch schlimmer ist es, sich selbst zu kopieren.“ Nach seiner Philosophie, des ständigen Einflusses der Außenwelt auf das eigene Schaffen, würde eine Wiederholung im künstlerischen Ausdruck den Stillstand des Geistes bedeuten.
Und doch lassen sich gewisse Parallelen zwischen seinen Bildern erkennen. Auch seine Ascherslebener Werke haben die für ihn in den letzten Jahren typischen dreidimensionalen Illusionen und ungewöhnlichen Leinwandformen. Außerdem weisen fast alle Bilder an den Wänden seines Ateliers im Bestehornpark Aussparungen auf. „Die Realität ist ein unvollständiges Puzzle“, sagt Fincek erklärend zu seiner Serie, die zwischenmenschliche Beziehungen thematisiert. Niemand kenne die ganze Wahrheit, jeder setze nur zusammen, was er wisse und sich erschließe. Dabei würden oft Teile zum Gesamtbild fehlen.
In seinen neuesten Werken tritt Aschersleben mal mehr und mal weniger offensichtlich zutage. Mit seinen drei vollendeten „Doppellandschaften“ verbildlicht Fincek „das Phänomen, mit dem Körper an einem Ort und mit dem Geist an einem ganz anderen Ort zu sein“. An zehn weiteren Bildern und diversen Zeichnungen arbeitet der polnische Künstler parallel zueinander weiter. Das geübte Auge erkennt Silhouetten von Türmen, Kirchen und anderen markanten Orten Ascherslebens, obwohl es thematisch um etwas ganz anderes geht. Doch auch ohne grafische Anspielungen auf seinen derzeitigen Schaffensort wäre der Einfluss Ascherslebens auf sein Werk nicht zu leugnen, beteuert Ziemowit Fincek.