«Königshalle» «Königshalle»: Großkonzern des Frühmittelalters
Quedlinburg/MZ. - Angesichts derspärlichen Reste der einstigen Anlage fälltdie Vorstellung schwer, dass sich in Lorscheiner der kulturellen Mittelpunkte Europasbefunden haben soll. Die seit 1991 bestehendeAuszeichnung der Abtei Lorsch als Welterbeder Unesco meint daher weniger die erhalteneBausubstanz als vielmehr die geschichtlicheBedeutung dieses Ortes. Symbolisch dafür stehtdie so genannte "Königshalle", eines der ambesten erhaltenen Gebäude aus der Karolingerzeit;symbolisch aber auch für das viele, was wirnoch immer nicht wissen.
Um 764 gegründet, erreichte die Abtei 772den Status eines Königsklosters. Schon inder zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts kamein gewaltiger Grundbesitz zusammen. Die meistenSchenkungen sind im "Lorscher Codex" verzeichnet:Lorscher Besitzungen reichten von Nijmegenbis Graubünden, lagen in den Niederlanden,in Belgien, in Luxemburg, im Elsass, in derSchweiz. Und natürlich schwerpunktmäßig amMittelrhein, einer Kernlandschaft europäischerGeschichte.
Reiches Skriptorium
Dieser immense Reichtum bedingt die wirtschaftliche,politische und kulturelle Bedeutung Lorschs.Gerade mit Blick auf die Kulturgeschichtefällt auf, dass Lorsch zusätzlich zu den wirtschaftlichen,militärischen und liturgischen Leistungenfür König und Reich zu einem Zentrum der Verdichtungund der Vermittlung von Wissen geworden ist:Im Skriptorium entstehen Abschriften von Werkenfast aller Wissensgebiete. So war die Bibliothekausgerichtet.
Ende mit Reformation
Der Name Lorsch ist mit der Medizingeschichteebenso verbunden wie mit der Klassikerüberlieferung,mit der Kalenderreform ebenso wie mit denAnfängen des gregorianischen Chorals. Dashohe Mittelalter, insbesondere das sich entwickelndeLehenswesen, brachte den Niedergang der altenAbtei, die bis 1232 ein benediktinisches Kloster,seit 1248 schließlich eine Prämonstratenserpropsteigewesen ist. Die Reformation erzwang das Endegeistlichen Lebens in Lorsch, der dreißigjährigeKrieg führte zur Zerstörung der einstigenKlosterstadt. Die berühmte "Königshalle" undHandschriften, heute auf über 50 Orte in 17Ländern verstreut, sind Zeugen einstiger Bedeutung.