Johanniskapelle Quedlinburg Johanniskapelle Quedlinburg: Kleinod erhält Stimme zurück
Quedlinburg/MZ. - Es ist ein zarter, ungewohnter Klang, der über den Johannishain in die Quedlinburger Süderstadt weht. Einer, der seit ungezählten Jahren nicht zu hören war. Die Johanniskapelle hat ihre Stimmen zurück - die beiden kleinen Glocken. Darunter die älteste der Stadt aus dem zwölften Jahrhundert. Doch läuten können die beiden nur, weil der morsche Dachstuhl samt Dachreiter in den vergangenen acht Wochen wieder hergerichtet wurde - der Beginn einer umfassenden und langwierigen Sanierung dieses sakralen Kleinodes der Stadt.
Mit dem Aufsetzen der Turmkugel und der Wetterfahne fand der erste Bauabschnitt seinen Abschluss. Pfarrer Ekkehard Steinhäuser dankte in einem Brief, der zusammen mit Zeitdokumenten der Kartusche für die Turmkugel beigelegt wurde, vor allem den Förderern des Projektes. Nach dem Drängen von Gemeindegliedern, endlich mit der Sanierung der baufälligen Kapelle zu beginnen, "gab die großzügige Spende von Rautendelein Rienecker für die Glocken den Anlass", sagte Steinhäuser. Neben dem Land, dem Kirchenkreis, Lotto-Toto und der Deutschen Stiftung Denkmalschutz engagierten sich auch die Wüstenrotstiftung sowie Lions- und Rotaryclub. Der Quedlinburger Maler Joachim Steinemann leistete seinen ganz eigenen Beitrag für die Herrichtung des Gotteshauses - er bemalte einen Regenschirm mit Motiven aus der Stadt, der versteigert werden soll. "Mindestgebot sind 100 Euro", so Steinhäuser.
Auf rund acht Jahre schätzt das Wolfenbüttler Architekten-Ehepaar Brigitte und Uwe Wiblishauser die Dauer aller Arbeiten, "wenn alles optimal läuft". Jeweils in Jahresscheiben von etwa 100 000 Euro sollen die einzelnen Maßnahmen in Angriff genommen werden. "Im kommenden Jahr sollen die Außenwände und die Sakristei instand gesetzt werden, sagte Brigitte Wiblishauser. Bei der "behutsamen Reparatur" des Dachstuhls der Johanniskapelle offenbarte diese sogar ein kleines Geheimnis: Mittels dendrochronlogischer Untersuchungen - der Altersbestimmung des verwendeten Holzes - ließ sich nachweisen, dass der Dachstuhl noch rund 100 Jahre älter als bislang vermutet ist. 1385 sollen Zimmerleute das Gebälk errichtet haben. Teile des darunter liegenden Sandstein-Mauerwerks sind indes noch deutlich älter.
Nach dem nun gestern während eines kleinen Gottesdienstes von Mitarbeitern der Werkstätten für Denkmalpflege die neue Turmhaube montiert worden war, schlug die Stunde für Rautendelein Rienecker, Uwe Wiblishauser und die beiden sechsjährigen Sebastian und Jonathan aus dem Christlichen Kinderhaus: Sie durften zum ersten Mal die Glocken nach deren Rückkehr in einer "Nacht- und Nebelaktion" (Steinhäuser) läuten.
Gebote für die Regenschirm-Versteigerung können dienstags im Gemeindebüro unter 03946 / 916 060 abgegeben werden. Letzte Gebote sind am 31. Oktober nach dem Gottesdienst in der Nikolaikirche um 11.30 Uhr möglich.