Hunderte Sterne leuchten wieder
Winningen/MZ. - Wenige Meter entfernt arbeiten Anja Stadler und Christine Steinforth mit ganz dünnen Pinseln an den Sternen. Diese werden den gesamten, sich jetzt in einem zarten Blauton zeigenden Deckenbereich wieder schmücken.
Im Auftrag der Familie Strudel laufen derzeit umfangreiche Arbeiten in der Winninger Kirche, um das Gotteshaus auch wieder seiner Funktion übergeben zu können. Die Familie, die seit 2004 Eigentümer des Klostergutes und damit auch des Kirchleins ist, finanziert diese Arbeiten selbst (die MZ berichtete). Teil des Maßnahmepaketes sind auch die derzeit laufenden Restaurierungsarbeiten.
Nachdem zunächst mit einer Schädlingsbekämpfung der gemeine Holzwurm, der sowohl den Altar als auch die Emporen befallen hatte, abgetötet wurde, widmen sich nun Anja Stadler und die Mitarbeiter ihres Restaurationsbüros der Aufgabe, der Kirche ihre alte Schönheit wiederzugeben. Grundlage für die Arbeiten, die die drei Restauratoren an Altar, Decke und im Wandbereich ausführen, sind umfangreiche, im Vorfeld durchgeführte Untersuchungen. Wiederhergestellt werden soll das Aussehen der Kirche im 19. Jahrhundert. Dabei wird unterschiedlich vorgegangen: Ein Teil der noch vorhandenen Bemalung - die so genannten Primärdokumente - wird retuschiert, die übrigen Bereiche werden entsprechend des Befundes neu gefasst, rekonstruiert.
Zu den Primärdokumenten gehören der gesamte Bereich hinter dem Altar und die drei christlichen Symbole an der Decke, erläutert Anja Stadler. Hier, deutet die Restauratorin auf die Darstellungen des Auges Gottes, der Dornenkrone mit dem Kreuz und der Taube, ist zunächst die vorhandene, lose Malereischicht gefestigt und gereinigt worden. Im Anschluss wurden die Fehlstellen geschlossen: das heißt, sie wurden nicht "ausgemalt", sondern mit feinen Strichen und Punkten versehen, so dass sich das Bild optisch wieder schließt.
Der übrige Bereich der Decke, die zuvor einen Grundanstrich durch eine Malerfirma erhalten hat, ist bereits zu weiten Teilen neu gefasst - unter anderem mit Hunderten von Sternen, die die Fläche förmlich übersäen. Und zwar genauso wie zuvor: "Die Plätze sind von uns markiert worden und die Sterne werden genau dort wieder angebracht. Sie waren ungleich gemalt worden, denn die Reihen springen ein bisschen", erläutert die Restauratorin.
Die Wände des kleinen Gotteshaus sind bzw. werden neu getüncht mit Kalkfarbe. Die Untersuchungen hatten gezeigt, dass sich um die Fensterbögen herum eine Quaderimitation befunden hatte. Auch diese Malerei wird rekonstruiert.
Noch weiterer Arbeiten harrt auch der Altar. "Hier wird die Farbgebung aus der Erbauungszeit, also dem Barock, wiederhergestellt", erläutert Anja Stadler. Der Altar war mehrfach übermalt worden, wobei die zuletzt sichtbare Fassung, so beschreibt die Restauratorin, "sehr laienhaft ausgeführt" war. Zudem wiesen die Farbfassungen starke Feuchtigkeitsschäden auf. Alle diese Zwischenfassungen werden aber bewahrt bleiben, wenn der Altar jetzt sein ursprüngliches Bild zurückerhält. Dafür wird der derzeitige Bestand unter anderem mit Japanpapier, einem hauchdünnen speziellen Papier, abgedeckt und dann auf diese Abdeckung jene ursprüngliche Fassung aufgebracht, wie sie die Untersuchung des Altars ergeben hat.
Und: "Das ist eine tolle Fassung. Das ist ein Alabasterimitat", schwärmt Anja Stadler und erläutert: "Ein Polierweiß mit leichtem Eigenglanz, dazu kommen vergoldete Absetzungen. Das wirkt sehr, sehr edel." Auch die Gewänder der Figuren werden so gestaltet. Gesichter, Arme und Beine - die so genannten Inkarnate - werden wieder fleischfarben. Und die beiden Figuren im mittleren Feld des Altars - Maria und Josef - werden ihre Plätze tauschen und so wieder zum Altar blicken. Das Gemälde in der Mitte des Altars wird gereinigt, erhält einen Zwischenfirnis und wird dann ebenfalls retuschiert.
Insgesamt, so schätzt die Restauratorin ein, sind die Arbeiten schon sehr weit fortgeschritten. Vorgesehen ist, Ende August das Gerüst aus der Kirche herauszunehmen. Im September werden noch Restarbeiten am Altar laufen.