1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Aschersleben
  6. >
  7. Hobbyforscher fand heraus: Hobbyforscher Gerhard Christ fand heraus: Im Rathaus Aschersleben gab es eine Folterkammer

Hobbyforscher fand heraus Hobbyforscher Gerhard Christ fand heraus: Im Rathaus Aschersleben gab es eine Folterkammer

Von Kerstin Beier 08.10.2017, 07:55
Das Rathaus in Aschersleben
Das Rathaus in Aschersleben Frank Gehrmann

Aschersleben - Der Rücken des hölzernen Esels war scharfkantig und nicht für bequemes Sitzen gemacht. Im Gegenteil: Er diente zur Disziplinierung und Bestrafung von Soldaten, von denen ab 1650 einige auch in Aschersleben stationiert waren. Die anfangs kleine Garnison wuchs mit den Jahren. Anscheinend haben die Militärs zunehmend gehaust in der Stadt, so dass der Schandesel mitten auf dem Markt wohl vonnöten war.

Dass es einen solchen gab in Aschersleben, dafür hat Gerhard Christ im Kämmereibuch von 1712 einen Beweis entdeckt. Dort findet sich der Auftrag an einen Zimmermann, besagten Esel herzustellen.

Um auf diesen und weitere Hinweise zur Gerichtsbarkeit in Aschersleben zu stoßen, verbringt der 77-Jährige ungezählte Stunden im Stadtarchiv und in anderen Archiven. Regelmäßig hält er im Askanischen Geschichtsverein Vorträge zu unterschiedlichen Themen. Flankiert werden diese von Veröffentlichungen unter dem Titel „Streiflichter“, von denen fünf bereits erschienen sind und das sechste Heft in Vorbereitung ist. In dieser neuesten Veröffentlichung wird es um Rechtsaltertümer gehen, und Gerhard Christ freut sich über eine Reihe von neuen Erkenntnissen, die er in dem Heftchen einer breiteren Öffentlichkeit vorstellen kann.

Bei seinen Recherchen verlässt er sich grundsätzlich nicht auf Chroniken allein. Er versucht immer, an Originalquellen heranzukommen. Als eine solche kann das Kämmereibuch von 1692 gelten. Daraus geht hervor, dass in jenem Jahr der sogenannte Schandkorb am Liebenwahnschen Turm erneuert werden musste. Der alte war abgefallen und in den Graben gestürzt.

Diebe wurden öffentlich gedemütigt

Der Schandkorb diente der öffentlichen Demütigung von Feld- und Gartendieben. Manchmal wurden die Körbe über Bächen aufgehängt und samt den Delinquenten ins Wasser getaucht.

Um für seine Veröffentlichung eine aussagekräftige Abbildung zu erhalten, baute Gerhard Christ ein Modell aus Pappe, das zeigt, wie das Ensemble um den Liebenwahnschen Turm zu jener Zeit ausgesehen haben könnte. Das Foto davon dient als Veranschaulichung im Heft.

Keine Hinweise zu Hexenprozessen in Aschersleben

Keinerlei Hinweise hat Christ zu Hexenprozessen in Aschersleben gefunden - weder in Kirchenakten noch in anderen Quellen. Belege gibt es dagegen für Hexenverbrennungen in Quedlinburg, Ballenstedt und Ermsleben.

Nicht für Hinrichtungen, sondern zur Abschreckung von herumziehenden „Zigeunern“, wie es in der Akte heißt, stellte Aschersleben fünf Schnellgalgen an den Einfallsstraßen auf. Diese standen an der Arnstedter Warte, an der Mehringer Stange, an der Speckseite, an der Staßfurter Warte sowie am Westdorfer Landgraben.

Belegt ist darüber hinaus, dass es im Aschersleber Rathaus einen Raum für „peinliche Befragung“, sprich eine Folterkammer gab. Dies gehe aus dem Inventarverzeichnis und dem Lagerbuch der Stadt hervor. Dort findet sich eine Mitteilung aus dem Jahr 1692, dass die Folterleiter erneuert und „verbessert“ werden müsse. In Regensburg (Bayern) ist der komplette Raum für peinliche Befragungen noch erhalten. Christ hat die Erlaubnis eingeholt, ein entsprechendes Foto für die „Streiflichter“ verwenden zu können „um zu zeigen, wie so etwas aussah.“

Als Bodendenkmalpfleger bei Ausgrabungen dabei

Gerhard Christ beschäftigt sich seit den 1970er Jahren mit der Stadtgeschichte. Als Bodendenkmalpfleger war er bei vielen Grabungen dabei. Unter anderem war er 15 Jahre lang an den Grabungen auf der Schalkenburg bei Quenstedt beteiligt, die 1986 abgeschlossen wurden.

Hochinteressant sei die Grabung auf dem Margarethenkirchhof gewesen, die 2002/ 2003 wertvolle Funde und Erkenntnisse zutage brachte: unter anderem die Originalpetschaft von Berthold, dem Präfekten des Halberstädter Bischofs, von 1262. „Was in der Erde liegt, kann nicht verfälscht werden“, sagt Christ als Begründung seiner Buddel-Leidenschaft. (mz)

Das Modell eines Schandkorbes
Das Modell eines Schandkorbes
privat