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Hausärzte in Hoym Hausärzte in Hoym: Ein Glücksfall für die Seeländer

Von Regine Lotzmann 11.07.2017, 14:18
Tobias Krößner untersucht einen Patienten.
Tobias Krößner untersucht einen Patienten. MZ

Aschersleben - Dass sich das Ehepaar Krößner ausgerechnet in Hoym niedergelassen hat, war eigentlich blanker Zufall. Doch nun sind die beiden Allgemeinmediziner schon 25 Jahre hier im Dienst - und wollen auch noch einige Zeit bleiben.

Für die Seeländer ein Glücksfall. Denn in benachbarten Ortsteilen, wie Frose, gibt es schon seit Jahrzehnten keinen Hausarzt mehr. Andere wollen, wie in Schadeleben, bald in den Ruhestand. Krößners möchten ihre gemeinsame Praxis jedoch bis zu ihrer Rente - also noch etwa zehn Jahre - weiterführen. Doch den Ruhestand der benachbarten Kollegen abfangen, das können sie nicht.

„Wir haben ein sehr hohes Patientenaufkommen“, spricht Sabine Krößner von der Praxis in Hoym, wo nicht nur Menschen aus dem ganzen Seeland betreut werden, sondern auch die behinderten Bewohner der Schloß Hoym Stiftung. Dazu geht es zwei Mal in der Woche nach Reinstedt. „Eine Serviceleistung für die alten Leutchen dort“, meint Tobias Krößner. Und seine Frau sagt :„Weitere Patienten aufnehmen, das können wir nicht. Unsere Kapazitäten sind einfach ausgeschöpft.“

Natürlich werde sie niemanden wegschicken, der mit Fieber am Tresen stehe. „Aber je mehr wir nehmen, desto schlechter wird die Qualität, desto länger sitzen die Leute im Wartezimmer - und es können Fehler passieren.“

Ihr Mann sei jetzt schon keinen Tag vor 22 Uhr zu Hause.

„Dann isst er eine Schnitte und sitzt bis Mitternacht am Schreibtisch.“ Denn die Bürokratie verschlinge mindestens die Hälfte der Arbeitszeit. Kuranträge, Kassenanfragen, Dokumentationen...

„Gut. Das ist schon ein toller Beruf“, gibt Sabine Krößner zu. „Aber man kann ihn nur machen, wenn man ihn auch gerne macht.“ Denn freie Zeit bleibe - vor allem im ländlichen Bereich - kaum. „Wir haben vor allem am Anfang Tag und Nacht nur gearbeitet, hatten immer Dienst - das macht heute niemand mehr.“ Deshalb würden auch kaum noch junge Mediziner aufs Land wollen, ist sich die Ärztin sicher. „Doch wir, wir sind gerne hier.“

Vor 25 Jahren hatten sie sogar darum gekämpft. Tobias Krößner ist von Leipzig für die fünfjährige Facharztausbildung nach Chemnitz in die Poliklinik gegangen - mit der Option, dort bleiben zu können. Eingesetzt wurden die jungen Mediziner zu dieser Zeit nach Bedarf. Wünschten sie sich einen bestimmten Ort, mussten sie schauen, an welchen Fachrichtungen es dort mangelte. Wollten sie ein bestimmtes Fachgebiet, mussten sie dorthin, wo eine Stelle frei war.

„Doch mit der Wende gingen diese Strukturen einschließlich der Polikliniken kaputt“, erzählt der 56-Jährige von seiner damaligen Entlassung. Seine Frau war zu dieser Zeit gerade mit dem ersten Kind zu Hause. „Wir haben uns dann den Atlas genommen und sämtliche Orte mit mehr als 5000 Einwohnern von Rügen bis ins Erzgebirge rausgesucht.“ Ehefrau Sabine, die ebenfalls Allgemeinmedizinerin ist und auch als Kinderärztin arbeitet, spricht von etwa 600 Briefen, die sie damals an die Bürgermeister dieser Orte schrieben. „Und so viele Absagen“, winkt der Doktor ab. Nur eine einzige Zusage aus dem Erzgebirge habe es gegeben. „Aber der Kollege hatte seine Patienten alle mitgenommen.“ Dann kam der Anruf aus Hoym. Man hätte eine Stelle, aber keine Wohnung dazu.

Tobias Krößner nahm an. 1991 war das. „In der Dachkammer des Rathauses habe ich auf einer Campingliege geschlafen. Es gab kein Telefon. Brauchte jemand einen Arzt, wurde hochgerufen. Nur am Wochenende ging es nach Hause.“ Dann wurde auch noch der Mietvertrag für die Praxis gekündigt.

„Der Anfang war schwer“, bestätigt Sabine Krößner, die 1992 nachkam, um mit ihrem Mann gemeinsam die Praxis zu führen. „Doch das Schloss hat uns geholfen, wir konnten die Zeit dort überbrücken, bis die Stadt dieses Gebäude hier gefunden hat“, erzählt die Medizinerin vom ehemaligen Kindergarten, der vor 25 Jahren zum Hoymer Ärztehaus umfunktioniert wurde. Und in dem die beiden noch heute praktizieren.

Angefangen haben Krößners mit zwei Schwestern. Inzwischen sind es sechs Mitarbeiter. „Doch wir brauchen unbedingt eine weitere medizinische Fachangestellte - gerne auch ältere Leute“, sind die beiden Ärzte auf der Suche nach Verstärkung.

Bis zu ihrer Rente - für Sabine Krößner sind das noch sieben Jahre, für ihren Mann zehn - soll es die Praxis geben. „Wir behandeln Husten, Schnupfen, Rückenschmerzen, die Schwerkranken müssen wir aber verteilen und bei Fachärzten um Termine bitten“, beschreibt sie ihre Eingeschränktheit. „Jeder Ort will seinen eigenen Arzt haben, aber in Wirklichkeit sind die Leistungen, die man dort hat, doch beschränkt“, macht die Ärztin deutlich. Denn ein Ultraschallgerät zum Beispiel dürften sie sich gar nicht anschaffen. Das bezahle die Krankenkasse nicht.

Ihr Vorschlag für eine gute Lösung in Sachen Ärztemangel ist deshalb ein einfacher: „Vernünftiger ist es doch, wenn man Zentren hat, wo es Ärzte vieler Fachrichtungen und auch die entsprechenden Geräte gibt“, denkt sie an die alten Polikliniken. „Doch dafür braucht man vernünftige Verkehrsanbindungen.“ Daran mangele es zur Zeit.

(mz)