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Harte Zeiten für die Lebenshilfe Harte Zeiten für die Lebenshilfe: Vollbremsung hat das Leben durcheinander gewirbelt

Von Kerstin Beier 10.02.2021, 08:56
Im Wohnheim der Lebenshilfe in der Schmidtmannstraße werden nicht nur die Bewohner zweimal in der Woche einem Corona-Schnelltest unterzogen, sondern auch die Mitarbeiter. Hier macht David Richter bei Peggy Schulze einen Abstrich.
Im Wohnheim der Lebenshilfe in der Schmidtmannstraße werden nicht nur die Bewohner zweimal in der Woche einem Corona-Schnelltest unterzogen, sondern auch die Mitarbeiter. Hier macht David Richter bei Peggy Schulze einen Abstrich. Detlef Anders

Aschersleben - Silvio Bodenburg ist erleichtert und zittert sich trotzdem von Tag zu Tag: Seit Wochen gibt es in den Einrichtungen der Lebenshilfe Harzvorland keine positiven Corona-Fälle mehr. Und doch gehen der Chef und seine Mitarbeiter kein Risiko ein: Schon lange gilt in den Häusern FFP2-Pflicht, in allen Wohnbereichen wird das Personal zweimal wöchentlich getestet, dort gelten verschärfte Besucherregeln. In allen anderen Einrichtungen einschließlich der drei Kindertagesstätten wird ebenfalls getestet, und das wöchentlich.

„Für mich war das Tempo der Ausbreitung besonders erschreckend“

Denn der Chef der Lebenshilfe und seine Mitarbeiter haben harte Zeiten hinter sich. Im November und Dezember hat es viele Corona-Ausbrüche im Betreuten Wohnen gegeben. In einem der beiden Häuser waren 17 von 25 Bewohnern betroffen, in einem anderen Haus, wo überwiegend Ältere und nicht mehr so aktive Bewohner leben, waren es zwei. „Für mich war das Tempo der Ausbreitung besonders erschreckend“, blickt Silvio Bodenburg zurück und erinnert sich an anstrengende Tage und Wochen.

Nach dem Ausbruch wurde die Arbeit in den Behindertenwerkstätten für einige Tage auf Null gefahren. Diese behördliche Anordnung war „völlig in meinem Sinne, denn ich trage ja die Verantwortung für Beschäftigte und Mitarbeiter“, sagt er.

Dennoch sei es ein „Heidenaufwand“, von heute auf morgen eine Vollbremsung hinzulegen. Beide Häuser standen unter Quarantäne. Für das Personal bedeutete das: Die Mitarbeiter durften sich nirgends zwischen Zuhause und Arbeitsstätte aufhalten und mussten den ganzen Tag in voller Schutzmontur arbeiten. In dieser Zeit gab es keine Gemeinschaftsverpflegung, die Mahlzeiten wurden den Bewohnern vor die Tür gestellt. „Das war für alle eine psychische Belastung und Gespräche waren in dieser Zeit besonders wichtig.“ Genau deshalb sei die Situation für die Betreuten, die nicht im Wohnheim, sondern allein wohnen, noch bedrückender. Hier drohen Isolation und Vereinsamung.

Auch wenn sich die Lage inzwischen wieder beruhigt hat: Die Sorgen, vor allem die wirtschaftlichen, bleiben.  Denn seit dem 11. Januar können die behinderten Mitarbeiter in den Werkstätten entscheiden, ob sie arbeiten oder lieber zuhause bleiben möchten. 100 von 380 haben vom Zuhausebleiben Gebrauch gemacht.

„Solche Regelungen kommen meist von heute auf morgen“, sagt Bodenburg mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass die Werkstätten im Auftrag der freien Wirtschaft arbeiten und Lieferfristen eingehalten werden müssen. „Die Auftraggeber warten ja drauf, aber zum Glück waren bisher alle sehr entgegenkommend.“

In den Werkstätten werden zum Beispiel Schreibgeräte komplettiert, Kartonagen gefaltet und Zuarbeiten für Medizintechnikhersteller erledigt. Mit dem jetzigen Personalbestand und unter den aktuellen Umständen schaffen die Werkstätten gut die Hälfte der Aufträge. „Im Dezember, als ein paar Tage komplett zu war, war es noch weniger.“

Zum Angebot der Lebenshilfe Harzvorland gehören auch drei integrative Kindertageseinrichtungen, die aktuell im Durchschnitt zu 50 Prozent ausgelastet sind mit Kindern, die Anspruch auf Notbetreuung haben. „Kinder mit Handicap haben teilweise Anspruch auf Notbetreuung, auch wenn die Eltern nicht in systemrelevanten Berufen arbeiten“, erklärt Silvio Bodenburg.

„Wir alle fühlen uns sehr ausgelaugt und angegriffen. Und auch die vielen kurzfristigen Verordnungen verlangen uns viel ab“, sagt er. Dennoch richtet er sich darauf ein, dass die Einschränkungen einschließlich des regelmäßigen Testens noch eine ganze Weile aufrechterhalten bleiben. „Ziel muss es ja sein, dass alle gesund bleiben.“ (mz)