1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Aschersleben
  6. >
  7. «Häftlinge» haben Hofgang

«Häftlinge» haben Hofgang

Von Susanne Thon 09.09.2007, 15:23

Aschersleben/MZ. - "Die Denkmalschützer haben so viel in der Stadt gemacht", lobt Hildegard Finsterbusch. Hoch schaut sie ins Obergeschoss des Gebäudes Tie 22a. Genau dahin, wo bereits Fachwerk freigelegt wurde. Schon jetzt lässt sich erahnen, wie sich die bis dato wenig attraktiv anmutende Fassade bald harmonisch in den Straßenzug einfügen wird.

Im Februar hat das Planungsbüro Schaltke mit den Bauarbeiten begonnen. Und eine Ehre sei es gewiss, den "Schlussstein" setzen zu dürfen, verweist Mitarbeiter Stefan Laue auf die Tatsache, dass es sich um das letzte zu sanierende Haus auf dem Tie handelt. "Bei der Arbeit an denkmalgeschützten Häusern gewinnt man so manche neue Erkenntnis", sagt er. So sei man beim Freilegen der Front auf eben dieses Fachwerk gestoßen: "Verputzt war es, Gesimse und Deckenbalken verdeckt." "Momentan sind wir voll in der Ausbauphase", so Laue, denn im ersten und zweiten Obergeschoss sollen bis Oktober sechs Wohneinheiten entstehen. Das komplette Erdgeschoss des 1594 erbauten Gebäudes wurde bereits der Spardabank übergeben, die sich nun an den Innenausbau gemacht hat. Ende September, so die Planung, werde die Bankfiliale an dieser Stelle neu eröffnet werden.

Noch beeindruckt davon, aber schon wieder auf dem Sprung, kann die Ascherslebenerin Hildegard Finsterbusch getrost behaupten: "Es lohnt sich wirklich jedes Jahr zum Tag des offenen Denkmals zu kommen." Zusammen mit Wolfgang Heinemann hat der Tag für sie in Güsten begonnen. "In seiner Kirche", deutet sie auf ihren Begleiter, der dort vor 71 Jahren getauft wurde. Dann ziehen beide weiter in Richtung Ritterstraße, um sich ein Bild von den Ausgrabungen zu machen, bevor es nach Ballenstedt geht. "In der Nikolaikirche haben meine Eltern und Großeltern geheiratet", sagt der Reinstedter. Und wenn man schon mal in der Nähe ist, lohne sich ein Abstecher zur Marienkirche in Harzgerode. "Es gibt so viel Schönes zu sehen", sind die Ausflügler überzeugt.

Währenddessen genießt eine "Häftlings"-, pardon, Besuchergruppe im Kriminalpanoptikum ihren Freigang, zu dem sie Steffen Claus zusammengetrommelt hat. Eine Runde trotten sie auf dem Hof im Kreis um den "Hauptmann von Köpenick". Eingebuchtet hat er schon den neunjährigen Lucas, der in Sachen Knast durchaus erfahren sei. Und auch Anne aus Ermsleben, gerade angekommen, wird sofort abgeführt - allerdings "nur" zum "Klavierspielen". Gespielt wird mit dem Daumen - und der weist eindeutig ein Wirbelmuster auf, bestimmt der Fachmann, der erstmals in die Rolle des Zuchthäuslers schlüpfte. Um den zeitlichen Bezug herzustellen: 1896 wurde das ehemalige Stadtgefängnis in Aschersleben errichtet, zehn Jahre später trieb der angebliche Hauptmann sein Unwesen in Berlin und leerte dort die Stadtkasse. Die Geschichte lässt tief blicken: "Ich werde nachher gleich mal gucken, ob wer im Rathaus ist", meint Claus schelmisch.

Direkt davor steht eine kleine Gruppe, die sich von Knut Balster durch die älteste Stadt Sachsen-Anhalts führen lässt. Vorbei am Krukmannschen Haus schlendern die Männer und Frauen zum Grauen Hof. Die Route richte Balster nach den Gästen, aber egal, wohin sie wollen, "es gibt überall so viel zu schwatzen", sagt der Stadtführer angesichts des wahnsinnig großen architektonischen und kulturellen Reichtums der Stadt.