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Große Musikgeschichte geschrieben

Von Peter Rosenhahn 05.06.2008, 17:24

Aschersleben/MZ. - Da ist es gewiss im Interesse auch anderer, aus dem Leben dieses großen Erneuerers der deutschen Militärmusik, aber auch darüber hinaus, der in seiner Heimatstadt nicht mehr allzu bekannt ist, zu berichten.

Wieprecht wurde am 8. August 1802 in Aschersleben geboren. Sein Vater war hier Stadtmusikant. Bis zum 17. Jahr ging Sohn Wilhelm zur Lateinschule (das heutige Stephanushaus), ohne dort zu glänzen. 1868 schilderte Wieprecht dem Schriftsteller Friedrich Bücker seinen Lebenslauf, worauf sich Dr. Otto Ritzau bei der im Auftrag des Verbandes ehemaliger Schüler des Stephaneums 1930 erfolgten Herausgabe der "Lebensbilder großer Stephaneer" zum Teil bezog.

So teilte Wieprecht Bücker mit, dass es der Vater war, welcher des Sohnes musikalische Begabung bald erkannte und ihn zum Musikunterricht nach Ballenstedt schickte. Zu Fuß! Dahin und zurück musste er drei Jahre lang.

Als ihm sein dortiger Lehrer, der Hofmusikant Hünerbein, nichts mehr beibringen konnte, empfahl ihn der stellvertretende Ascherslebener Bürgermeister Christian Körte (1786 - 1858) mit einem Brief an Carl Maria von Weber nach Dresden. Über Leipzig, wo er es anfänglich versuchte, aber dort nicht beschäftigt werden konnte, kam Wieprecht im Herbst 1821 in die Elbestadt. Dort wurde er im Orchester des Stadtmusikdirektors Johann Gottfried Zillmann engagiert. Nachdem er die Bekanntschaft Webers gemacht hatte und von ihm empfohlen worden war, kam er zurück nach Leipzig, wo er im Gewandhausorchester Violine spielte. Wieprecht vervollkommnete sich in dieser Zeit allumfassend: "Ich hörte Vorlesungen über Ästhetik und Geschichte der Tonkunst, komponierte, hospitierte und hatte nicht eher Ruhe, bis ich mich um eine Stelle als Violinist in der Königlichen Kapelle in Berlin bewerben konnte..."

Mit 22 Jahren trat er dieses Amt an. Doch so recht war es sein Ding nicht. "Ich hatte einen Drang zum Schaffen in der Brust und wusste nicht, wie ich ihn befriedigen sollte", erzählte er seinem Biografen. Bis er eines Tages vor der Wachparade die Militärkapelle die Ouvertüre zu Mozarts "Figaros Hochzeit" spielen hörte. Da wusste Wieprecht, dass er auf diesem Gebiet Bedeutendes leisten könnte. So schrieb er für das Trompetenkorps der Garde-Dragoner des Majors Gottlieb v. Barner sechs Märsche. Zugleich leitete er eine Neustrukturierung der musikalischen Besetzung des Korps ein.

Auf sein ebenso reges wie erfolgreiches Schaffen aufmerksam geworden, erteilte Friedrich Wilhelm III. Wieprecht 1829 den Auftrag, das Musikkorps der Potsdamer Leibwache zu reformieren.

Ein Höhepunkt in seiner Karriere wurde, als Russlands Zar Nikolaus I. am 8. Mai 1838 nach Berlin kam. Da stellte Wieprecht ein Riesenorchester aus 1000 Musikern und 200 Tambouren zusammen und ließ es nach seinen Vorstellungen musizieren. Danach gesellte sich Erfolg zu Erfolg. Europas bedeutendste Komponisten und gekrönten Häupter wurden auf diesen Reformer der Militärmusik aufmerksam, ersuchten um seine Ratschläge und ehrten ihn mit hohen Auszeichnungen. So verlieh ihm zum Beispiel Napoleon III. in Versailles das Ehrenkreuz der französischen Ehrenlegion.

Beim Wettbewerb der Militärkapellen auf der Weltausstellung in Paris am 21. Juli 1867 erwarb Wilhelm Wieprecht den ersten Preis. Bei seiner Rückkehr nach Berlin wurde er daraufhin triumphal gefeiert. Abschließend seines Beitrags in den Lebensbildern großer Stephaneer schreibt Ritzau, dass Wieprecht auch vom Ausland berufen wurde, die Militärmusik neu zu organisieren, so in der Türkei 1847 und in Guatemala 1852. Und: "Auch für das leibliche Wohl seiner Musiker war er stetig besorgt, indem er Witwen- und Waisenkassen errichtete, die bald über genügend Kapitalien verfügten, um eine wesentliche Stütze zu gewähren." Vier Tage vor seinem 70. Geburtstag starb Wieprecht in Berlin. Zu seinem umfangreichen Lebenswerk gehören unter anderem 40 Parademärsche für die Kavallerie, 31 Defiliermärsche für die Infanterie, der Wilhelmsmarsch sowie drei Märsche "Zur Einholung des Prinzen und der Prinzessin Friedrich Wilhelm von Preußen".

Ein wenig bedauerlich für lokalpatriotische Ascherslebener ist, dass kein Nachweis existiert, wo in der Stadt Wieprecht geboren wurde respektive als junger Mensch gelebt hat. Erfreulich dagegen die unlängst in der MZ erfolgte Mitteilung des verdienstvollen Ascherslebener Lokalhistorikers Hans-Herbert Müller, dass Wieprecht am 15. August 1862 Ehrenbürger der Stadt geworden war.

Von Hans-Herbert Müller stammen auch die Informationen zum Ascherslebener Adressbuch von 1900. Da habe Über den Steinen 27 eine Witwe namens Minna Wieprecht gewohnt und dass am 7. April 1824, bevor Wieprecht also nach Berlin ging, er im alten Schützenhause an der Herrenbreite "abends ab 5 Uhr" ein Abschiedskonzert gab. Aus dem Internet indes ist zu erfahren, ein direkter Nachkomme Wilhelm Wieprechts sei "der bekannte Berliner Radiomoderator Volker Wieprecht".