"Gewagt aber gut" Graffiti-Sprayer verschönern Wohnhaus in der Bahnhofstraße Aschersleben: Kunst im Hausflur

Aschersleben - Führungen durch die Zimmer des zweistöckigen Wohnheimes in der Bahnhofstraße in Aschersleben sind jüngst nur mit Atemmasken samt Staubfiltermasken möglich gewesen. Das galt nicht nur für Neugierige, die einen Blick in das Haus werfen wollten, sondern auch für die Bewohner selbst. Denn drinnen arbeiteten gut ein Dutzend Sprayer. Graffiti sprayen ganz legal. Mit regelrechten Kunstwerken wurden die Hausflure geziert.
„Das sieht großartig aus“, freute sich Cevin Olszewski. Der Polizeischüler wohnt seit etwa zwei Jahren in einem 40 Quadratmeter großen Apartment in der Bahnhofstraße. „Es ist gewagt, aber gut, weil hier ausschließlich junge Mieter wohnen“, plauderte der 28-Jährige.
25 Sprayer aus Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg waren einen Tag lang beschäftigt
Einen ganzen „Arbeitstag“ haben 25 Sprayer aus Sachen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg in die bunte, vielfältige Verschönerungsaktion gesteckt. „Hier ist keiner dabei, der weniger als acht Jahre Erfahrung im Sprayen hat“, erzählte Christian Weiße. Er selbst ist selbstständig und besprayt seit über 25 Jahren alles mögliche, vom Benzinkanister und Zaunsäulen bis hin zu Hausfassaden, ein prägnantes Aussehen.
In Aschersleben trägt die „Außenhaut“ des Gebäudes seine Handschrift. Bei einem Sprayer-Event in der ältesten Stadt Sachsen-Anhalts habe er den Eigentümer des Mowia-Objektes (Modernes Wohnen in Aschersleben), Christian Meixner kennengelernt.
Drinnen riecht es nach den Farbgasen. 700 Spraydosen stellten Weiße und Meixner den Graffiti-Routiniers zur Verfügung. Mit den Grundfarben Schwarz und Grau setzte etwa Alexander Sitt aus Köthen einen buchstäblichen Blickpunkt in den Flur des ersten Obergeschosses.
In acht Stunden zauberte der 40-Jährige dort mit Engelsgeduld und ruhiger Hand ein konzentriert dreinschauendes Auge mit filigranen Wimpern und roten Äderchen, die Sitt mit seiner 25-jährigen Sprayererfahrung mit transparenter Farbe darstellt. Augen, ganze Gesichter und Figuren in realistischer Darstellung gehören zu seinem „Markenzeichen“.
Alexander Sitt aus Köthen erschafft in acht Stunden ein Wandbild
„Mein erstes Graffito entstand unerlaubt in meinem Kinderzimmer und war ein Schriftzug“, erinnerte er sich zurück. Illegale Graffiti gehörten jedoch nicht zu seinen Graffiti-Aktivitäten. Das sei gar nicht nötig. Immerhin gebe es genügend Aufträge. Sein größtes prangt auf 200 Quadratmetern Hauswand.
Im Flur daneben setzte Künstler Diro aus Halle auf eine Schlange mit gefräßigem Maul, deren Arme aus einem Kessel mit schwarzen, blubbernden Blasen herausragen. „Bei so etwas bin ich das erste Mal dabei - außergewöhnlich“, meinte der Hallenser Sprayer, der nur sein Pseudonym der Sprayer-Szene, aber nicht seinen richtigen Namen preisgeben wollte. Wer seine Graffiti erkennen wolle, solle nach Fantasiecharakteren ungewöhnlicher Art Ausschau halten, lächelte er spitzbübisch.
Yvi und Stefan stehen auf Zeichentrickfiguren wie Popeye und Olivia
Auch bekannte Zeichentrickfiguren wie Popeye und Olivia zieren seit Samstag die Gänge des Hauses. Yvi und Stefan sind die Künstler, die den Figuren farblich ein Leben als Graffiti einhauchten. „Wir interessieren uns für Comics und Zeichentrick“, begründete Stefan aus Magdeburg das Motiv.
Vor dem Objekt mit den 26 belegten Wohneinheiten sägte Marcus Scholz an einer Esche und werkelte an seinem bislang größten Kunstwerk - eine riesige Esche in einen Baum voller schützender Waldgeister zu verwandeln.
Ob das alles den Wohnstandort attraktiver macht? Meixner ist guter Dinge. Deshalb überlege er, dieselbe Aktion auch in einem noch im Bau befindlichen Nebengebäude mit einer WG mit sieben Zimmern und sechs Wohneinheiten zu wiederholen. (mz)
