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Geschenk zum "75." Geschenk zum "75.": Ein Geburtstag in der Heimat

Von Petra Korn 19.10.2003, 18:47

Aschersleben/MZ. - Vor zweieinhalb Stunden hat Richard Bestehorn noch gar nichts gewusst. Jetzt, Sonntagmittag, steht der Enkel von Heinrich Christian Bestehorn, dem Gründer der so erfolgreichen Ascherslebener Papierfabrik, vor dem Haus Lindenstraße 60. Genau vor 75 Jahren hat er in dieser Villa, die seine Eltern um 1926 von einer Witwe Robra kauften, das Licht der Welt erblickt.

Dass Richard Bestehorn seinen 75. Geburtstag gestern in seiner alten Heimat feierte, ist eine Überraschung, die ihm seine Familie als Geburtstagsgeschenk bereitete: einen Tag mit der gesamten Familie - mit Ehefrau Karin-Christa, mit der Tochter Barbara und den Söhnen Hans-Christian und Stephan und deren Familien - in Aschersleben.

"Wir wollen am Nachmittag auf Vaters Spuren wandeln", so Sohn Hans-Christian, "und wir sind sehr gespannt, was mein Vater so zu erzählen hat." Zu erzählen weiß dieser schon am Haus in der Lindenstraße einiges: Hier hat Richard Bestehorn seine Kindheit verbracht, ging im Stephaneum zur Schule. Nach Kriegsende musste die Familie die Villa räumen. Sie fand zunächst Unterschlupf bei anderen Familien und ging dann in die westliche Besatzungszone, wo es in Hannover einen Zweigbetrieb der Firma gab. Der damals 17-jährige Richard Bestehorn blieb noch in Aschersleben und arbeitete als Setzer. Doch als die Schule wieder begann und er zurückgestuft werden sollte, folgte er der Familie. In Wolfenbüttel beendete er die Schule, erlernte den Beruf des Druckers und baute mit Vater und Onkel über Jahre hinweg den zerbombten Betrieb in Hannover wieder auf. Neue Zweigniederlassungen wurden eröffnet. Und noch heute ist die Familie Bestehorn - inzwischen in fünfter Generation - in der Verpackungsbranche tätig: Die "Rob. Leunis & Chapman"-Gruppe zählt heute rund 400 Mitarbeiter und erwirtschaftet einen Jahresumsatz von 55 Millionen Euro, sagt Hans-Christian Bestehorn.

Die Geburtstagsfahrt nach Aschersleben war für Richard Bestehorn, der seine Heimatstadt nie aus dem Blick verloren und sie in den vergangenen Jahren oft besucht hat, eine schöne Überraschung. "Wo man geboren ist und die ersten 17 Jahre verlebt hat, kommt man immer wieder gern hin", sagt der 75-Jährige. Und er freue sich darüber, wenn zum Beispiel sein Geburtshaus "wieder eine gute Bestimmung" hat. "Ich gucke da auch nicht mit bösen Gedanken hin. Das ist so. Wenn Krieg ist, gibt es auch Kriegsfolgen."

Besonderes Interesse bei den Kindern und Enkeln fanden während des nachmittäglichen Rundgangs auch die Gebäude der ehemaligen Bestehornschen Fabrik, zu DDR-Zeiten die "Optima". Ihren jetzt desolaten Zustand sieht man den Bauwerken an - aber Richard Bestehorn weiß von den Plänen, hier einen Bildungsstandort zu entwickeln. Wenn die Gebäude wieder eine Nutzung bekämen, "das würde mich wahnsinnig freuen", so der gebürtige Ascherslebener.