Geschäftsaufgabe in Aschersleben Geschäftsaufgabe in Aschersleben: Der Modemacher Ralf Springer geht

Aschersleben - Das Adventsgesteck mit den Pfauenfedern wirkt frisch drapiert. Auf dem Tisch, der in der Mitte des Ladens steht, liegen Fotoalben. Alles ist wie immer. Aber eigentlich doch nicht. Über den Regalen und auf den Bügeln liegen und hängen nur noch wenige Kleidungsstücke. An den Regalen angebracht sind goldene Schilder mit Prozentzeichen. Es sieht nach Abschied aus. Und es ist auch einer. Nach 31 Jahren schließt der Ascherslebener Modemacher Ralf Springer sein Geschäft in der Breiten Straße in Aschersleben.
„An einem Tag zwischen Weihnachten und Neujahr werde ich den Laden für immer zuschließen“, sagt der Unternehmer. Es komme darauf an, wie viele Kleider, Blusen, Röcke und Hosen noch da sind. Allerdings müsse zum Jahresende der Bestand auf null stehen. Denn ist der Laden erst einmal zu, gehen die Designerstücke zur Kleiderspende. „Die werden sich dort freuen“, zuckt er mit den Schultern. Aber hängen lassen kann er die Textilien nicht. Diese müssen aus dem Laden genauso heraus wie auch das Inventar.
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Erst im vergangenen Jahr feierte Ralf Springer sein 30-jähriges Firmenjubiläum. „Und ich könnte auch noch ein paar Jahr drauflegen. Doch es gibt auch noch andere wichtige Dinge in meinem Leben“, verrät der 73-Jährige, der nun auf insgesamt 59 Jahre Berufstätigkeit zurückblicken kann. Die anderen Dinge sind seine Frau, die Kinder, die Enkel, sein schönes Heim und die großen Leidenschaften - das Gärtnern und Fotografieren.
Mit jedem Ende tue sich auch ein Anfang auf. Ralf Springer freut sich auf die Zeit, die da kommt. Auch wenn er ein bisschen wehmütig durch die Fotoalben auf dem Tisch blättert. Denn die zeigen die wichtigsten Ereignisse aus seinem beruflichen Leben: Sein Team, mit dem er jahrelang zusammengearbeitet hat, Modenschauen, Geschäftseröffnungen, Modetrends und vieles mehr.
„Sonst hatte ich um diese Zeit schon die Frühjahrskollektion im Laden“, erklärt er mit einem wehmütigen Blick auf die fast leeren Regale. Vor über 31 Jahren ist aus einem Banker ein Modemacher geworden.
Der Schritt in die Selbstständigkeit war schwer, doch bereut hat er diesen nie. Denn das Entwerfen von Mode sei ihm nicht nur leichtgefallen, sondern habe ihm Spaß gemacht. Vermutlich, weil er dieses Talent in die Wiege gelegt bekommen hat. Der Urgroßvater war Herrenschneidermeister und sein Sohn hat eine Schneiderin, Ralf Springers Oma, geheiratet, die ihren Beruf in Wien von der Pike auf gelernt hatte.
Lange Schlangen zu DDR-Zeiten
Lange Schlangen gab es zu DDR-Zeiten vor seinem Laden, nach der Wende hat man ihn dann als Modezar von Aschersleben bezeichnet. Für Ralf Springer ein Kompliment, mit dem großen Modezar Lagerfeld verglichen zu werden. Denn er versteht seinen Beruf nicht als einfachen Job, sondern als Berufung.
Ralf Springer hat nicht nur gern Frauen eingekleidet, sondern auch mit Leidenschaft beraten. „Das macht einen guten Verkäufer aus. Er muss einer Frau sagen, was ihr steht und was nicht. Das stärkt das Vertrauen“, erklärt er. So hat sich ein Stammkundenkreis gebildet, der nun bedauert, dass er nicht mehr in das Geschäft in der Breiten Straße gehen kann. „Ich habe lange nach einem Nachfolger gesucht. Zum Schluss sind alle abgesprungen“, bedauert er sehr.
Vier Modenschauen hat der Unternehmer pro Jahr mindestens durchgeführt. Und er hat es geliebt, dafür auch die Moderation zu übernehmen. „Wer sollte es besser machen als ich? Ich bin Einkäufer, Verkäufer und Einkleider“, schmunzelt er. Auch auf die Frage, warum er nur Frauen eingekleidet hat und nicht auch Männer, hat der Ascherslebener ein Schmunzeln übrig. „Frauen öffnen sich für Mode. Männer weniger. Zumindest war es früher so. Heute hat sich das schon ein bisschen gewandelt“, findet er.
Der beste Zeitpunkt
Ralf Springer kauft übrigens seine eigenen Sachen in Aschersleben. „Hier bekommt man alles, was man braucht. Auch mit guter Beratung“, gibt er gern zu. Er gehe allerdings nicht los, wenn er etwas brauche, sondern wenn er etwas sieht, dann wird gekauft.
Den Ausklang seines Geschäftslebens findet Ralf Springer in Ordnung. Jetzt sei der beste Zeitpunkt, nicht nur den Kunden zu danken, sondern auch seinem treuen Team. Denn einige seiner Verkäuferinnen hätten maßgeblich das Geschäft mitgeprägt. „Ich habe immer Schneiderinnen eingestellt, die auch gleichzeitig Änderungen am Kleidungsstück vornehmen konnten“, erklärt er. Auch diese sind nun in den Ruhestand gegangen. Ein Wort, an das sich Ralf Springer noch gewöhnen muss. Denn Ruhestand wird nicht Ruhe sein, sondern viel mehr Zeit, um neue Dinge auf sich zukommen zu lassen und diese auszuprobieren. (mz)