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Erntedankfest in Mehringen Erntedankfest in Mehringen: Mit der Krone durch den Ort

Von MARIANNE BOTHE 06.10.2013, 19:20
Höhepunkt war auch in diesem Jahr wieder der Umzug mit alter Landtechnik in vielen farbenfrohen Bildern.
Höhepunkt war auch in diesem Jahr wieder der Umzug mit alter Landtechnik in vielen farbenfrohen Bildern. frank gehrmann Lizenz

mehringen/MZ - Töff töff … tuckernd und knatternd reihen sich am Sonntagmorgen Trecker und Gespanne am Ortseingang von Mehringen auf, Dieselabgase schwängern die Luft und mischen sich mit dem sonntäglichen Morgendunst. Eine Szene für echte Kerle, generationsübergreifend, Männer, die sich beim Arbeiten schmutzig machen und zupacken können. Mittendrin klassisch bis adrett herausgeputzte Landfrauen, junge und nicht mehr ganz so junge, und jene, die noch Frau werden wollen. Der anrollende Autoverkehr von der B 6 aus Aschersleben muss innehalten. Mancher nutzt die Zwangspause, steigt aus, zückt das Fotohandy und lässt sich so das dargebotene Schauspiel nicht entgegen.

Der traditionelle Umzug zu Erntedank mit alten Traktoren, Schleppern, Landmaschinen und Pferdegespannen durch das Dorf startet kurz nach 10 Uhr. Wie viele es 2013 sind? Eine genaue Zahl von Teilnehmern kann Organisator Reinhard Winkler nicht nennen. So um die 100 Bilder, schätzt er. „Jeder kann mitmachen, sich einbringen und zelebriert mit uns bäuerliche und dörfliche Traditionen.“ Der erste Sonntag im Oktober gehört dem Erntedankfest, das in Mehringen über zwei Tage - schon am Samstag ging’s mit Schaupflügen und Country-Ball los - gefeiert wird - in der Gemeinschaft und mit zahlreichen Gästen.

Erntedankfest in unseren Breiten bedeutet, wie beispielsweise bei Amerikanern und Engländern Thanksgiving, in jedem Fall ein etwas demütiges Dankeschön an die Natur und/oder Gott für die Gaben, die im Alltag oft gedankenlos und selbstverständlich hingenommen werden. Fleißiger Hände Arbeit, alte und vor allem neue Landtechnik trägt eben nur teilweise zur guten Ernte eines Jahres bei. Das Jahr 2013 führte das wieder einmal und besonders deutlich vor Augen.

Übernommene Traditionen und Bräuche vor allem will der Ausrichter des Mehringer Spektakels, der örtliche Kultur- und Heimatverein, seinen jüngsten Einwohnern, den Kindern, bewahren und nahebringen. Dazu zählt unbedingt das Binden einer Erntekrone. Hier beweisen sich alljährlich die Landfrauen, wenn sie in der Vorbereitung zusammensitzen und aus getrockneten Weizen- und Gerstenhalmen die Krone fertigen, die dann auf einem Pferdegespann dem Umzug vorangeführt wird. In diesem Jahr gab es noch etwas Majoran und Fenchel mit hinein.

Der Erntekrone folgen historische Kutschen, Landauer und Jagdwagen, die Tiere, die sie in Bewegung setzen, Schwarzwälder Füchse oder auch Ponys und schließlich Normag, Hanomag, Lanz Bulldog, Fendt, Deutz und wie die Schlepper alle heißen, ein Claas-Mähdrescher von 1974 sowie die kleine, leuchtend rote Flotte von Porsche Diesel. Alles liebevoll gepflegte und restaurierte, am Sonntag auch blumengeschmückte Traktoren und Fahrzeuge, die zum Teil schon an die 80 Jahre auf dem Buckel haben. Einer mit Baujahr 1938 durfte aufgebockt mitfahren. Im Schlepptau oftmals noch die alten Erntehelfer wie Pflugschar, Fräse, Drill- und Dreschmaschine bis hin zur Kartoffelschleuder von 1925.

Erntedankfeste gab es schon in vorchristlicher Zeit. Vergleichbare Riten sind nach Wikipedia aus Nordeuropa, Israel, Griechenland oder aus dem Römischen Reich bekannt. Im Judentum gibt es das Schawuot, das Wochenfest, nach Beginn der Ernte. Nach der Reformation wurde das Erntedankfest am Michaelistag, den 29. September, oder an dem Sonntag davor oder danach gefeiert.

Sämtliche Informationen erfährt der nicht ganz so kundige Festbesucher am Ziel des Umzuges auf der Mehringer Festinsel. Hier sammelt sich alles, was Beine und Räder hat, und alle Umzugsteilnehmer werden nacheinander vorgestellt.

Inzwischen ist Mittagsstunde. O“zapft is„ auch in Mehringen. Mit drei Schlägen sticht Ulrich Fügener vom Kultur- und Heimatverein das Fass Freibier an und bringt die Besucher so ganz geschickt noch zusätzlich auf die Seite der Veranstalter. Die Schaulustigen nehmen auch die dargebotenen Köstlichkeiten vom Grill, aus der Pfanne oder dem Holzbackofen dankend an. Ein Bauernmarkt hält vor, was das Herz begehrt: Mutzbraten, Fischspezialitäten, Eis, Popcorn, Zuckerwatte, Honigprodukte und Wein, dazu Klöppelarbeiten, Blumen, Pflanzen und Herbstdeko sowie Spielzeug. In der wunderschön herbstlich ausgestalteten Festhalle gibt es den Klassiker, Erbsensuppe und Würstchen. Und später zünftige Musik, Tanz und Unterhaltung mit den Einetaler Jägern. Währenddessen entern nebenan die jüngsten Mehringer einen nicht minder kunstvoll aus Strohballen aufgebauten Riesentraktor, springen und toben im Stroh, ganz unbeschwert. Wo und wann ist das sonst heute noch möglich?

Oder sie schauen bei den Kaninchen vorbei, die der Rassekaninchenzuchtverein Drohndorf ausstellt und zum Verkauf anbietet in seinem Zelt, gemeinsam mit dem Geflügelzuchtverein Mehringen, der einige besonders schöne Hühner mitgebracht hat. Beide Vereine bereichern seit Jahren das Erntedankfest, und ihre Tombola ist wie jedes Mal sehr beliebt. Weitere Hits für Kids werden im Programmplan aufgeführt: töpfern, die Suche nach der Nadel im Heuhaufen, Ringreiten, Bratwurstschießen, Gemüse- und Kettensägenschnitzen. Der Sonntagnachmittag geht noch lange abwechslungsreich weiter. Mit einem Gottesdienst erinnert die Kirchengemeinde an den christlichen Charakter von Erntedank.

Bei den Landfrauen herrscht gute Stimmung.
Bei den Landfrauen herrscht gute Stimmung.
Frank Gehrmann Lizenz