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Eiscafé Küster in Aschersleben Eiscafé Küster in Aschersleben: Zweimal Umbau in zwei Generationen

Von Kerstin beier 20.04.2016, 16:32
Christel und Harald Küster blättern gemeinsam mit Sohn und Nachfolger Veit im Fotoalbum.
Christel und Harald Küster blättern gemeinsam mit Sohn und Nachfolger Veit im Fotoalbum. Frank Gehrmann

Aschersleben - Die Stufen nach oben führten aus dem Trubel im Erdgeschoss hin zu Behaglichkeit und relativer Ruhe im ersten Stock. Während sich unten die Eishungrigen in langen Schlangen an der Selbstbedienungstheke drängten, servierte die Bedienung oben freundlich, schick und kompetent Eisbecher und Kaffeespezialitäten von holländisch bis französisch. So erlebte der Gast der HO Eis-Milchbar am Markt die unerreichbare weite Welt wenigstens auf der Angebotskarte.

Das Haus am Markt wurde 1974 vom Gemischtwarenladen einschließlich einer Schädlingsbekämpfung zur Eisdiele umfunktioniert. Fast von Anfang an gehörte Harald Küster zum Inventar. Nachdem er als gelernter Bäcker und Konditor zwei Jahre lang die Produktion leitete und vier Objektleiter vor ihm nach jeweils einer Saison das Handtuch geworfen hatten, wurde er 1978 selbst Chef des Hauses.

Ältere Aschersleber erinnern sich: Die Plätze in der Eisdiele waren immer knapp. Mancher stand eine Weile mit dem Becher in der Hand und lauerte auf einen frei werdenden Sitz. Im Straßenverkauf um die Ecke gab es die Kugel Schoko für 20 Pfennig, Erdbeer und Vanille waren noch fünf Pfennige günstiger. „Damals stellten wir 72 Tonnen Eis pro Jahr mit Maschinen von 1936 her“, erzählt Harald Küster. An guten Tagen gingen 600 Kilo der kalten Speise über die Ladentheken. Seine Frau Christel, die ebenfalls von Anfang an zum Geschäft gehört, kennt die Preise von damals noch aus dem Effeff. Gemischte Früchte mit vier Kugeln Eis und Sahne waren für 2,25 DDR-Mark zu haben. Mal waren die Waffeln knapp, mal fehlte es an den Rohstoffen, oft war das Benzin rationiert, um die Zutaten zu beschaffen. „Da zu bestehen, war eine Sache des Unternehmergeistes“, sagt Harald Küster.

Nach der Wende entschloss sich das Paar, das Gebäude zu kaufen und selbstständig weiterzumachen. Bis 1995 dauerte es noch, bis sich das Haus im Eigentum der Küsters befand. In jenem Jahr begannen die Unternehmer auch, das Haus vollständig umzukrempeln und zu modernisieren. Die gewaltige Summe, die sie in ihr neues Eigentum steckten, bereitete Harald und Christel Küster manche schlaflose Nacht, „aber es war uns klar, dass wir investieren mussten, um zukunftsfähig zu bleiben“, erzählt Frau Küster. Weil die Café-Betreiber auch während des Umbaus Geld verdienen mussten, lief der Betrieb ersatzweise im ehemaligen Eisenwarengeschäft Staebe in der Breiten Straße weiter.

Zwei Stammkunden, Erika und Fritz Tamm, überraschten nach der Wiedereröffnung im April 1997 mit einem Fotoalbum. Fritz Tamm hatte darin alle Phasen des Umbaus fotografisch festgehalten. „Darüber haben wir uns sehr gefreut“, erzählen die beiden, obwohl sie zwischendurch manchmal ärgerlich waren, wenn „Fritz Tamm dauernd auf der Baustelle herumgekrochen ist.“

Inzwischen hat das Eiscafé den nächsten Umbau erlebt. Dieser erfolgte im vergangenen Sommer bereits unter der Ägide des Nachfolgers. Denn vor drei Jahren haben sich die Unternehmensgründer, inzwischen 68 bzw. 65 Jahre alt, zurückgezogen. Die Verantwortung liegt nun in den Händen ihres Sohnes Veit. Einfach hat sich der gelernte Hotelfachmann die Entscheidung nicht gemacht. Denn die Zeiten sind schwierig. „Trotzdem wollten wir ja, dass es weiter geht“, sagt der 37-Jährige.

Nach dem erneuten Umbau musste sich manche ältere Dame erst einmal daran gewöhnen, dass die geliebte, eingesessene Kuschelecke einem moderneren Ambiente gewichen ist. Trotzdem gibt es viele Stammkunden, die dem Geschäft seit Jahrzehnten die Treue halten. So wie Frau Weber mit ihren Freundinnen, die montags und donnerstags pünktlich um 8.30 Uhr vor der Tür stehen. Und auch wenn sich vieles gewandelt hat: Der Nougatbecher ist heute noch der gleiche Knaller wie vor 30 Jahren. (mz)

Das Haus am Markt in Aschersleben ist seit 1974 eine Eisdiele.
Das Haus am Markt in Aschersleben ist seit 1974 eine Eisdiele.
Frank Gehrmann