Ein Spleen im Maßstab 1:87
Giersleben/MZ. - Fast 20 Jahre nach der Fertigstellung sind sie nach Halle, Bernburg, Köthen, Eisleben und Leipzig mit ihrer Anlage vom Bahnhof Giersleben auch in den Ort gekommen, in dem alles angefangen hat.
Damals, 1986. Die Erlaubnis von der Reichsbahndirektion in der Tasche und die Aufgabe vor Augen, ein Original weitestgehend detailgetreu nachzubilden, machten sich die Hobbyeisenbahner ans Fotografieren, Vermessen und Recherchieren. Noch heute erinnern sie sich an die entgegenkommende Art der Gierslebener, der Familie Dietrich und der Leute vom Stellwerk. "Da haben wir einige Stunden verbracht und Tassen Kaffee getrunken", so Wolfgang Werthmann.
Drei Jahre dauerte der Bau des zehnmal 2,5 Meter großen Miniatur-Gierslebens im Maßstab 1:87. Mehr als 200 Meter Gleis der Spur H0 sowie über 40 Weichen wurden verlegt. Etwa 20 Züge fahren auf der Anlage. "Alles real umzusetzen war einfach nicht möglich", so Werthmann. "Einige Häuser haben nicht hingepasst, die Gärtnerei ist etwas größer als in Wirklichkeit", sagt er, und "einen Tagebau gab es nie. Der Kies für das Betonwerk wurde nicht vor Ort gewonnen, sondern mit der Bahn angeliefert." Alteingesessene Gierslebener werden es zwar bemerken, doch "uns stört's nicht, es sieht schön aus". Und ein bisschen künstlerische Freiheit ist erlaubt, zumal ja sonst an alles gedacht wurde - selbst an den Imker, "der 1987 da mit seinen Bienen stand".
Sehr gut angenommen wurde die Zeitreise in die Vergangenheit des Gierslebener Bahnhofs in der Gaststätte "Weidmannsheil" am Wochenende. Ein deutliches Zeichen für die Vereinsmitglieder, dass nicht nur sie die Faszination Modelleisenbahn gepackt hat. Zudem waren Anlagen in den Spurweiten TT und Z sowie eine Gartenbahn und großformatige Fotos des Eisenbahnfotografen Günther Scheibe zu sehen.
1964 wurde der Modellbahnclub, der mittlerweile seinen Sitz in Helbra hat, gegründet. Was den Nachwuchs betrifft, sehe es allerdings nicht rosig aus. 15 Mitglieder zählt der Verein - das Jüngste ist 36 Jahre - und die wollen beschäftigt werden. "Man kann gar nicht so viel bauen, wie man möchte", so Klaus Böhme. So habe auch ein inspirierender Besuch in der Speicherstadt Hamburg die Mannschaft auf eine neue Idee gebracht. Vor zwei Jahren wurde die 25 Quadratmeter große Anlage fertiggestellt. Am Anbau werde derzeit gearbeitet. Die Aufgaben sind genau verteilt - es gibt Tischler und Gleisbauer, andere sind für die Elektrik und Landschaftsgestaltung zuständig. Auch plane man, die Hettstedter Platte zu erweitern, indem man sie mit der Fantasieanlage "Aschleben" kombiniere. Neben dem finanziellen Aspekt spiele auch immer der Platz eine Rolle. "Eine Modellbahnanlage kann nie groß genug sein, aber ein halber Meter fehlt immer", sagt der Vereinsvorsitzende mit Blick auf die zur Verfügung stehende Räumlichkeiten. "Jeder hat einen Spleen - unserer ist die Eisenbahn", so Böhme, "und es macht Spaß, sich mit Gleichgesinnten zu treffen." Außerdem, findet der Clubchef, sollten die Ehefrauen viel mehr mit in das Hobby einbezogen werden. So wie seine Frau Margitta, "die dafür sorgt, dass es uns gut geht".