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Ein Klumpen Ton im Keller

Von Kerstin Beier 14.09.2006, 15:29

Staßfurt/MZ. - Der 22. September ist für Annemarie Stoya der letzte an "ihrem" Salzlandtheater in Staßfurt. Zumindest der letzte, an dem sie ihre Schritte von Berufs wegen in das Haus lenkt. Seit der Wende wirkte sie hier als Theaterleiterin, und die 59-Jährige muss überlegen, ob sie wirklich traurig ist über ihren Weggang in den Ruhestand. "Zum Schluss war die Theaterarbeit doch sehr belastet von der ständigen Diskussion um den Erhalt des Hauses", blickt sie zurück.

Eine kleine Ausstellung zeigt ein Stück Vergangenheit: Veranstaltungsplakate in großer Zahl zieren die Wände - sie künden von Profi-Inszenierungen aus Operette, Komödie, Schauspiel und Ballett ebenso wie von bejubelten Auftritten des Schülertheaters, das dem Salzlandtheater seit vielen Jahren als Proben- und Spielstätte die Treue hält. Fotos, eine kleine Dokumentation und unzählige Zeitungsartikel wecken Erinnerungen nicht nur bei ihr, sondern auch bei den Besuchern der Ausstellung und der kleinen Abschiedsfeier, die ehemalige Kollegen, Freunde und Theaterenthusiasten zusammenführen wird.

Theaterenthusiasten gibt es einige, schließlich hat der 1993 gegründete Förderverein inzwischen die Regie über das Theater übernommen - doch ganz ohne Unterstützung von Stadt und Landkreis geht es heute weniger denn je. "Man sollte stolz sein auf eine Einrichtung wie das Theater, und ich gehe eigentlich mit einem optimistischen Ausblick und mit den besten Wünschen für meine Nachfolgerin", so Annemarie Stoya, die von sich sagen kann, dass sie das Haus durch schwieriges Fahrwasser steuern konnte. Ihre Galerie am Bahnhof, die sie schon zu DDR-Zeiten über elf Jahre lang geführt hatte, fand nach ihrem Beginn als Theaterleiterin in den Räumen des Salzlandtheaters eine neue Heimstatt, sie hat eine Kunst- und Erlebnisbörse hier installiert und arbeitete oft und gern mit Kindern.

Kein Wunder, denn von Hause aus ist Annemarie Stoya Grundschullehrerin. In Brandenburg auf einem Bauernhof aufgewachsen, kannte sie die Eltern vor allem arbeitend. "So habe ich zeitig gelernt, mich selbständig zu beschäftigen", erzählt sie rückblickend. Nach dem Umzug der Familie in der Stadt ging sie bei Freundinnen ein und aus und kam dort erstmals mit Kunst und Kultur in Berührung. "Zum Glück hatte ich außerdem einen guten Deutsch- und Kunstlehrer", berichtet sie von ihrer prägenden Jugendzeit, aus der ihr Besuche der Komischen Oper Berlin und des Berliner Ensembles unvergessen bleiben. Die Liebe verschlug sie nach dem Lehrerstudium nach Dessau, später zog die Familie nach Staßfurt, und Annemarie Stoya wurde eifriges Mitglied im Keramikzirkel des Chemieanlagenbaus.

Den Lehrerberuf hängte sie an den Nagel, als sie hörte, dass der Kreis am Bahnhof eine Galerie einrichten will. Es reizte sie, "Kunst nach Staßfurt zu bringen." Sie bewarb sich, wurde genommen und erkannte erst später "wie viel Arbeit so was macht". Kontakte zu ausstellenden Künstlern waren damals, Anfang der 80er Jahre, weitgehend ohne Telefon und Auto herzustellen und zu pflegen. Annemarie Stoya beschreibt diese Zeit als "sehr auf- und anregend", doch nach der Wende als Theaterleiterin plötzlich Chefin für fünf Leute zu sein, war eine neue Herausforderung. Auch der Umgang mit einem Haushaltsplan war Neuland. Sie erinnert sich noch an die Unterschrift auf dem ersten Vertrag mit dem Theater Eisleben. "Es ging um 2 000 Euro, mir haben beim Unterschreiben die Hände gezittert", weiß sie noch. Und jetzt? Sie lächelt ihr sympathisches Lächeln. "Ich hab 'n Klumpen Ton im Keller, der wartet schon auf mich."