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Ein jeder Weidmann findet hier gewiss sein Heil

Von Kerstin Beier 14.09.2004, 19:00

Aschersleben/MZ. - Die älteren Jungs bei den Müllers heißen alle Friedrich. Und sie sind bis jetzt alle Büchsenmachermeister aus Leidenschaft. Das Jagd- und Waffengeschäft Müller in der Hohen Straße in Aschersleben gehört zu den ältesten Läden in der Stadt. Von Anfang an - nämlich seit 1901 - kauft der Weidmann an immer gleicher Stelle seine liebevoll handgearbeitete Büchse. Und nicht nur die. Für sämtliches Jagdzubehör vom Messer bis zum Hut ist das Geschäft eine gute Adresse.

Der Urgroßvater von Friedrich E W. war es, der 1864 in Suhl den Grundstein legte für eine ganze Büchsenmacherdynastie, die weit über die Region hinaus bekannt geworden ist. Dessen Sohn Friedrich C. L. begab sich, wie es damals üblich war, auf Wanderschaft. In Aschersleben, ganz in der Nähe waldreicher Gegend, schienen ihm die Bedingungen günstig zu sein. Er kaufte ein Geschäftshaus, das groß genug war, hier eine Werkstatt einzurichten. Das Geschäft hatte mit Erstem Weltkrieg und Inflation turbulente und schwierige Zeiten zu überstehen. So wie schon der Urgroßvater war auch der Großvater ein Tüftler und stets bestrebt, die Waffen noch besser zu machen. Eine von ihm erfundene und patentierte Diopterscheibe ermöglichte es auch Schützen mit nicht ganz so scharfen Augen, gute Schießergebnisse zu erreichen. Die Erfindung fand reißenden Absatz - bis der Deutsche Schützenverband den Einsatz optischer Zielhilfen für das sportliche Schießen verbot.

Das angesehene Geschäft hatte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges existenzbedrohende Zeiten zu überstehen. Die Jagd- und Sportwaffen hätten zunächst den Amerikanern sehr gefallen, die nachrückenden Russen hätten dann den Seniorchef für ein paar Tage hinter Schloss und Riegel gesetzt, anschließend Geschäft und Werkstatt komplett ausgeräumt.

Die ersten neuen Kunden waren wiederum russische Offiziere, die ihre erbeuteten Jagdgewehre bei Müllers instandsetzen ließen. Sie zahlten nicht mit Geld, sondern mit Brot und Kartoffeln - in der damaligen Zeit ein wahrer Segen.

"Besonders für meine Eltern waren die ersten Jahre nach 1945 verdammt hart", erzählt Friedrich E. W. Müller, während er in der dicken Familienchronik blättert. Mit Sorgfalt hat er alles gesammelt, was zur Firmengeschichte gehört: Zeugnisse, Meisterbriefe, Patenturkunden, Fotos. Sogar Postkarten von Kunden sind dabei. Ein Hausneindorfer Kunde des Großvaters zum Beispiel ist später in Afrika Farmer geworden. Die ersten deutschen Kunden, denen der Vater Friedrich A. R. Müller Ende des Krieges ein Jagdgewehr verkaufte, waren zwei angesehene Wissenschaftler aus Gatersleben: Dr. Stubbe und Dr. Mothes. 1953 war das. Später unterstand die Jagd staatlichen Stellen, Direktverkäufe waren nicht mehr möglich. Die Werkstatt musste ihre Gewehre an das Fahrzeug- und Jagdwaffenwerk Suhl liefern und genoss stets einen guten Ruf.

Für den heutigen Geschäftsinhaber war es von vornherein klar, den gleichen Beruf zu erlernen wie Vater, Großvater und Urgroßvater. Zum Lernen ging er nach Suhl - in die Hochburg des Jagdwaffenbaus. Gleich nach der Armeezeit erwarb er den Meisterbrief. Sein Handwerk, auch wenn es selten ist, sieht er relativ unromantisch: "Es ist ein Beruf wie jeder andere Metallberuf", meint er trocken. Streicht aber trotzdem liebevoll über das glatte Holz eines eben fertig gewordenen Jagdgewehres. Ein besonders schönes, aufwändiges und liebevoll gearbeitetes Stück, eines der schönsten, das er nach eigenem Bekunden je gefertigt habe. Fast zu schade zum Weggeben? Der Meister schüttelt den Kopf. "Ich weiß ja, wo es hingeht. Ich werde es noch öfter wiedersehen", schmunzelt er, der selbst ein leidenschaftlicherJäger ist.