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Dolmetscherin und Lehrerin mit Herz und Seele

Von Hajo Mann 06.09.2007, 16:40

Aschersleben/MZ. - Trotz ihres hohen Alters ist Olga Köhler geistig noch völlig fit. Sie kann noch ohne Brille lesen, nur das Gehör will nicht mehr so richtig. "Viel Freude bereiten ihr die Übungen während der Therapie. Da lebt sie richtig auf", erklärte Pflegedienstleiterin Edeltraut Werner.

Wie die Wohnbereichsleiterin der Jubilarin, Schwester Jacqueline Bittner, berichtete, legt das Geburtstagskind immer noch viel Wert auf gute Kleidung und ein gepflegtes Äußeres. Ganz verliebt sei sie in ihre Hüte.

Olga Köhler ist ein ausgesprochenes Sprachgenie. Sie spricht fünf Sprachen. Das brachte ihr den Einsatz als Dolmetscherin während der Olympischen Spiele in Berlin und beim Vier-Mächte-Abkommen in Potsdam ein. Gut erinnert sich die Jubilarin daran, dass sie einst Kaiser Wilhelm II. einen Blumenstrauß überreichte. "Das geschah, wie auch die Gespräche mit Margot Honecker und Egon Krenz mit Herzklopfen kostenlos", gesteht sie. Mit beiden habe sie verhandelt, um mit ihrer Klasse - sie arbeitete viele Jahre als Lehrerin - in die damalige Sowjetunion reisen zu dürfen. Die Geburtsstadt von Olga Köhler ist Riga. Ihre Eltern und Großeltern waren Deutsche. In ihrer frühen Kindheit zog die Familie von Riga nach Moskau um. Der Vater arbeitete als Bühnenbildner am Bolschoitheater und die Mutter als Leinenweberin. Tochter Olga ging aufs Gymnasium und erlernte an einer Moskauer Mädchenschule die deutsche Sprache. Danach studierte sie drei Jahre in Wien. 1922 kehrte sie zur Familie zurück.

Wenige Jahre später entschloss sich die Familie, von Moskau nach Berlin umzusiedeln. Hier lernte die Neuberlinerin den aus Aschersleben stammenden Richard Köhler kennen. Er arbeitete als Ingenieur bei Siemens. 1933 schlossen beide den Bund der Ehe. In Berlin wurde auch Tochter Evelyn geboren, die jetzt in Leipzig lebt.

Als ihr Haus in Berlin ausgebombt wurde, folgte der Umzug der Familie zu den Schwiegereltern nach Aschersleben. Hier war sie viele Jahre als Dolmetscherin bei Prof. Dr. Feit tätig. Danach erfüllte sie sich ihren geheimen Wunsch, als Lehrerin zu arbeiten. Sie war bis zum Rentenalter eine Lehrerin mit Leib und Seele. Seit 2002 lebt die Jubilarin im Senioren-Wohnpark. Hier fühlt sie sich wohl und hat dem Pflegepersonal schon viel Freude bereitet.