Geschichte einer Schule Die Nachterstedter Schule wird 70
Generationen an Schülern durchliefen ihre Schulzeit in Nachterstedt. Die MZ hat mit drei Ehemaligen gesprochen. Die erinnern sich an eine schöne Zeit.

Der Hammer ist ein überdimensioniertes Exemplar, in dessen Stiel Buchstaben und Zahlen eine Gravur ergeben, die an die Grundsteinlegung der Nachterstedter Schule im Mai 1950 erinnert. Eröffnet wurde die Bildungsanstalt zwei Jahre später - und damit genau vor 70 Jahren. „Viel haben wir in der Heimatstube nicht, was an die Schule erinnert“, meint Horst Brückner, der für das Mini-Museum in Nachterstedt zuständig ist.
Da gibt es den Hammer, eine Schulbank samt zweier Stühle aus den 50er Jahren, eine Schiefertafel und eine Waage. Dazu einige Fotos. Und die Geschichte, dass die Vorgängerschule, die gerade erst eine neue Sporthalle bekommen hatte, eigentlich gar nicht abgerissen werden sollte. „Die Kommune war mit einer Komplettverlegung des Ortes überhaupt nicht einverstanden“, erzählt Brückner von der Zeit, als das alte Dorf den Braunkohlebaggern weichen musste. Doch die Hoffnungen der Alt-Nachterstedter wurden enttäuscht.

Unterricht in Baracken
Mitte der 40er Jahre wurde auch das Schulhaus dem Erdboden gleich gemacht. Bis zur Eröffnung des neuen wurden die Nachterstedter Kinder in Baracken unterrichtet, die auf dem Gelände des Braunkohlewerkes standen. Ein paar Klassenfotos davon existieren noch und hängen an den Wänden der Heimatstube.
Brückner selbst, inzwischen schon im Ruhestand, wurde 1954 eingeschult. „Ich habe die Entwicklung in den Anfängen miterlebt“, sagt er und erinnert sich daran, dass das ursprüngliche Gebäude - die heutige Sekundarschule - noch einen Anbau erhalten sollte. „Dort, wo jetzt die Grundschule steht, sollte eigentlich eine Aula hin. Die Voraussetzungen dafür waren schon geschaffen“, berichtet Brückner von offengelassenen Fugen in der Giebelwand des eigentlichen Schulhauses.

Doch dann wurde auch das Kulturhaus fertiggestellt - mit seinen Sälen für Feierlichkeiten. „Eine Aula wurde da nicht mehr gebraucht.“ Dafür entstand das jetzige Grundschulgebäude auf dem Schulhof. Etwa in den 70er Jahren. Insgesamt war es damals eine Mittelschule mit Zehnklassen-Abschluss. „Bis Ende der 50er Jahre kamen die Schüler für die höheren Klassen aus der ganzen Umgebung. Aus Reinstedt, Frose, Hoym.“ Später dann wurde daraus die für DDR-Zeiten typische Polytechnische Oberschule.
Gute Zeiten
In dieser Zeit war Andrea Hammermann - damals hieß sie noch Gille - Schülerin in Nachterstedt. „Wir hatten eine richtig geile Zeit“, sagt die Mittfünfzigerin, die heute die Vorsitzende des Festausschusses in ihrem Ort und für Veranstaltungen wie das Vereins- und Brunnenfest zuständig ist.

„Wir hatten Respekt vor unseren Lehrern, manchmal auch Angst“, sagt sie. Als sie 1975 eingeschult wurde, wurde die Klasse erst einmal geteilt - zu viele Kinder. Bis zum Abschluss in der Zehnten konnten die Jungen und Mädchen zusammen lernen und auch Praxisluft schnuppern: Denn genau wie die Froser wurden sie im benachbarten Leichtmetallwerk, heute Novelis, in die Grundlagen der „Praktischen Arbeit“ eingeführt. Dazu zählten etwa Bohren, Gewindeschneiden, Punktschweißen - und das präzise Fräsen von Metall an riesigen Maschinen. Zusammen mit den Frosern ging es dann auch zur Tanzschule.
„Wir hatten ein tolles Klima in der Klasse“, erzählt Andrea Hammermann von Zusammenhalt und Spaß - und von einer gemeinsamen WhatsApp-Gruppe, in der die ehemaligen Klassenkameraden fast 40 Jahre nach ihrer Schulzeit noch immer verbunden sind. Auch Klassentreffen werden regelmäßig durchgeführt - „und jedes Jahr im August ein Freundetreffen, an dem alle Jahrgänge teilnehmen können“, sagt Hammermann. Und meint: „Es ist schön zu sehen, was aus allen geworden ist.“

Sekundarschulen zusammengelegt
Die Schulbank in Nachterstedt gedrückt hat auch Tim Hase, der heute in der Seelandschule, die gemeinsam mit der Grundschule „Glück auf“ in der ehemaligen POS untergebracht ist, als Schulleiter arbeitet - übrigens der jüngste in ganz Sachsen-Anhalt. „Ich gehörte 2004/05 zum ersten Jahrgang, der von Hoym nach Nachterstedt gezogen ist“, erinnert sich Hase. Denn damals wurden die Sekundarschulen in den beiden Orten zusammengelegt, was seinerzeit für ordentlich Wirbel sorgte.
„Am Anfang gab es noch eine strikte Teilung: Die Hoymer und Froser hielten zusammen und die Nachterstedter mit den Gaterslebenern und den restlichen Seeländern.“ Doch die anfängliche Zurückhaltung war schnell verflogen. „Ich fand das Familiäre schön, das Herzliche - und dass man zu den Lehrern gehen konnte, wenn man Probleme hatte. Jeder kannte sich“, erinnert sich Hase, der vorher eine Schule in Thale besuchte. „Da war es ganz anders. Größer. Anonymer.“ Nach der Schule ging der Hoymer aufs Fachgymnasium, studierte später Lehramt - und landete am Ende wieder in Nachterstedt.