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Die Geschichte eines Festplatzes Die Geschichte eines Festplatzes: Wo einst Schweine liefen

Von Frank Reisberg 03.10.2020, 11:56
1984 wurden auf dem ehemaligen Festplatz Wohnungen gebaut.
1984 wurden auf dem ehemaligen Festplatz Wohnungen gebaut.  Fotos (3): frank gehrmann

Aschersleben - Nachdem ab 1968 der damalige „Platz der Jugend“ (heute wieder „Herrenbreite“) als traditioneller Festplatz der Stadt Aschersleben neugestaltet wurde und für Volksfeste und Zirkusgastspiele nicht mehr zur Verfügung stand, musste ein neuer Festspielort gesucht werden. Als Provisorium wurde kurzzeitig der Platz an der Tonkuhle genutzt, wo sogar Zirkusse gastierten.

Der neue Festplatz wurde schließlich auf der freien Fläche zwischen Wall-, Ramdohr- und Magdeburger Straße gefunden. Hier liefen früher Schweine über die Grünfläche, weshalb dieses Areal im Volksmund „Schweinewiese“ genannt wurde und bis heute noch wird.

Jugendobjekt Volksfestplatz ins Leben gerufen

Im Oktober 1968 wurde dafür ein „Jugendobjekt Volksfestplatz“ ins Leben gerufen. Der Bau des neuen Festplatzes sollte als eine Aktion der FDJ (Freie Deutsche Jugend: Jugendorganisation in der DDR, d.A.) unter dem Motto „Ein Platz für die Achterbahn“ durchgeführt werden und der Platz nach der Fertigstellung einen Wert von einer halben Million Mark haben.

„Auf einer Fläche von 27.500 Quadratmetern muss der Mutterboden bis zu einer Tiefe von 80 cm abgetragen, verladen und abtransportiert, müssen eine Schotterschicht und darüber eine Kiesschicht aufgefüllt werden, um einen Hartplatz herzustellen. Darüber hinaus müssen 300 Meter Kabelgraben und die Fundamente für eine neue Transformatorenstation ausgehoben werden. Zur Abgrenzung des Platzes sind 250 m Zaun aufzustellen“, hieß es in der „Freiheit“ vom 23. Oktober 1968.

Zu dieser Zeit hatte die LPG (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft, d.A.) „Florian Geyer“ auf dem Platz an der Magdeburger Straße noch ihre Schweinekoppel.

Fertigstellung am Internationalen Tag des Kindes geplant gewesen

Vorgesehen war eine Fertigstellung zum 1. Juni 1969, dem Internationalen Tag des Kindes. Dann sollten auch wieder Volksfeste mit Achterbahn und Twister stattfinden und der VEB Zentralzirkus auf dem Festplatz gastieren. Es sollten letztendlich aber zwei Jahre vergehen, bis der neue Festplatz seiner Bestimmung übergeben werden konnte.

Am 6. Juni 1970 berichtete die Tageszeitung „Freiheit“ über den Stand der Arbeiten am neuen Volksfestplatz zwischen Wall- und Ramdohrstraße: „Umfangreiche Erdarbeiten zur Nutzbarmachung des Platzes wurden bereits durchgeführt. Trotz der schlechten Witterung in den vergangenen Wochen, durch die Terminverzögerungen eingetreten sind, gehen die Arbeiten zügig voran. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt arbeitet eine Jugendbrigade des VEB (K) Baureparaturen Aschersleben an der Trafostation. In den vergangenen Tagen waren zwei Jugendbrigaden der Deutschen Reichsbahn an diesem Objekt im Einsatz und hoben Kabelgräben aus.

Durch gute Unterstützung der BHG (Bäuerliche Handelsgenossenschaft, d.A.) Aschersleben, auch an den Wochenenden, war es möglich, Erdreich abzufahren und Schotter anzuliefern.“ Gleichzeitig wurde informiert, dass der neue Festplatz Anfang September 1970 mit einem Volksfest eröffnet werden sollte.

Nach drei Jahren wieder ein Volksfest in Aschersleben

Nachdem im Herbst 1967 das letzte Volksfest auf dem Platz der Jugend stattfand gab es nun nach drei Jahren wieder ein Volksfest in Aschersleben. Mit einem „Herbst-Volksfest der Stadt Aschersleben“ vom 5. bis 13. September 1970 wurde der neue Festplatz an der Magdeburger Straße seiner Bestimmung übergeben.

Twister, Autoscooter, Raketenfahrt zum Mond und  Liebesinsel

Am Sonnabend, dem 5. September 1970, um 14 Uhr konnte in der damaligen Kreisstadt Aschersleben nach längerer Unterbrechung wieder ein Volksfest durchgeführt werden. Dazu war in der „Freiheit“ am 3. September 1970 zu lesen: „Anziehungspunkte werden unter anderem der Twister vom VEB Zentralzirkus, der Autoscooter, die Raketenfahrt zum Mond und die Liebesinsel sein.

Schaukeln und Kinderkarussells sorgen für weitere Abwechslung, und wer eine ruhige Hand und ein gutes Auge auf die Probe stellen will, kann das an den Schießbuden versuchen. Wer nicht mit dem Luftgewehr umgehen kann, probiert dann eben erst einmal mit Ballwerfen. Das große oder das kleine Glück wartet an den Losbuden, und wer Hunger und Appetit verspürt, kann sich ein Fischbrötchen schmecken lassen oder Schaschlyk, Fischsteaks, vielleicht auch ein gebratenes Hähnchen probieren.

Der staatliche und der genossenschaftliche Handel sind mit von der Partie und werden neben vier Verkaufsständen ein Bierzelt und einen Kaffeegarten aufbauen.“ Öffnungszeiten waren übrigens von 10 bzw. 14 Uhr bis jeweils 22 Uhr.

„Seit der ersten Stunde des Beginns des Volksfestes auf dem Festplatz an der Magdeburger Chaussee herrscht hier reges Treiben“, berichteten die Reporter der „Freiheit“ am 10. September 1970 über den neuen „Anziehungspunkt Volksfestplatz“.

„Sogar die Regenschauer am Sonntagnachmittag konnten dem Trubel keinen Abbruch tun. Lange Autoschlangen und viele Motorräder und Mopeds künden davon, dass die Besucher nicht nur aus unserer Stadt bzw. auch von den Randgebieten der Kreisstadt kommen. Alle Verkaufsstände, Karussells, Losbuden usw. sind dicht umlagert, und vor allem am Wochenende braucht man nicht nur viel Kleingeld, sondern auch Geduld.“

Zirkus gastiert auf dem neuen Festplatz

Bereits acht Tage nach dem ersten Volksfest gastierte auch ein Zirkus auf dem neuen Festplatz von Aschersleben: Der bekannte und beliebte Zirkus Busch aus Berlin gab vom 21. bis 24. September 1970 nach sechs Jahren wieder ein Gastspiel in Aschersleben mit dem Programm „7 – 8 – 9 – 10 – Klasse BUSCH International“.

Über ein Jahrzehnt lang trafen sich nun hier Jung und Alt zum „Rummel“ oder Zirkus - bevor dann wieder ein neuer Festplatz gesucht werden musste. Ab 1984 wurde an der Magdeburger Straße eine neuer Wohnkomplex aufgebaut, unter anderem auf dem Gelände des Festplatzes. Nach dem Setzen der ersten Platte am 6. März 1984 entstanden bis Ende 1985 insgesamt 680 Wohnungen am damals jüngsten Wohnungsbaustandort, dem fünften in der Kreisstadt Aschersleben.

Der neue Festplatz wurde an der Walter- Dammköhler-Straße, am westlichen Stadtrand, gefunden und eingerichtet – keine glückliche Lösung wie sich bald herausstellen sollte. (mz)

Der Rummel war oft zu Gast.
Der Rummel war oft zu Gast.
gehrmann
Die Arbeiten für das neue Wohngebiet haben begonnen.
Die Arbeiten für das neue Wohngebiet haben begonnen.
gehrmann