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Der barmherzige Samariter kommt nach Schneidlingen

Von Jochen Miche 18.06.2006, 21:27

Schneidlingen/MZ. - So ganz schlecht muss der Draht nach oben tatsächlich nicht sein. Denn die auf das Jahr 1264 zurückgehende mildtätige Klusstiftung ist eine kleine, aber feine kirchliche Einrichtung, die die Krisen der Zeit halbwegs ohne Blessuren überstanden hat. Ihre Bescheidenheit rettete sie oft genug vor Nachstellungen und Begehrlichkeiten - unter Napoleon, der sich schwer an Kirchenbesitz vergriff, nicht anders als unter DDR-Bedingungen.

Ursprünglich wurden an dieser Stelle Männer der Kirche (die im frühen Mittelalter noch keinen Lohn für ihre Arbeit erhielten, sondern wie Jesus Christus auf milde Gaben angewiesen waren) verköstigt und behandelt, später entstand ein Hospital, an das heute noch die Adresse der Stiftung erinnert: Hospitalstraße. Schließlich wurde hier ein Altenpflegeheim eingerichtet, das 1962 geschlossen wurde.

Fortan fanden hier Menschen mit geistiger Behinderung ein liebevolles Zuhause. Dass es liebevoll sein muss - christlichen Einrichtungen ging insbesondere zu DDR-Zeiten der Ruf besonders aufopferungsvoll arbeitenden Personals voraus - zeigt sich neben anderem an der Treue vieler Bewohner, die oft ihr Leben lang hier blieben. Helen Han bedankte sich in einer kurzen Rede zum Sommerfest bei drei der hier lebenden 65 Menschen; die drei leben bereits seit 40 Jahren hier.

Die Leiterin erinnerte unter anderem an die Bautätigkeit im Katharinenstift und an die Hilfe durch Sponsoren. So finanzierte die Aktion Mensch 80 Prozent der Kosten eines Rollstuhlfahrerbusses und gab Lotto-Toto-Geld für die Sanierung eines Bades und für einen Plattformlift, sagte sie dankbar. Begonnen hatte das Fest mit einem Gottesdienst mit Superintendent Michael Wegner und Pfarrer Ulrich Lörzer. Ein Akteur im Gottesdienst war der Ascherslebener Kantor Thomas Wiesenberg. Er saß später zudem im Theaterstück am Keyboard. In dem dreiviertelstündigen Schauspiel hatte Heilpädagogin Kerstin Ludwig-Sippel die Geschichte vom barmherzigen Samariter in zeitgemäßer Fassung mit der Theatergruppe der Stiftung umgesetzt. Die Botschaft des Stücks, so Frau Ludwig-Sippel: "Entscheidend im Leben ist die Tat, und diese sollte immer barmherzig sein; dem Hilflosen ist die Hand zu reichen, dem der nichts hat, sollte etwas abgegeben werden, und die Demut - Bescheidenheit, Bereitschaft zum Dienen - sollte nie nachlassen."

Anschließend wurde bei Kaffee und Kuchen, abends mit Gegrilltem weitergefeiert. Es gab Stände zum Thema "Menschen auf dem Weg". Am Ende waren viele Besucher - neben den Bewohnern waren wohl doppelt so viele Verwandte und Bekannte, zudem viele Freunde der Stiftung (wie Vertreter des Lions-Clubs Aschersleben) - gekommen, um von der Wirkung des morgendlichen Stoßgebets der Frau Han zu profitieren und einen kühlen, aber regenfreien Tag in der Klusstiftung zu genießen.