Club der Senioren Club der Senioren: Die Türme türmen sich

Aschersleben/MZ - „Das Rathaus passt nicht überall hin. Es nimmt viel zu viel Platz weg.“ Also zumindest dann, wenn man es an Freunde und Bekannte verschenken will. Deshalb baut Walter Ratsch lieber in die Höhe, aber etwas ebenso Ascherslebentypisches wie das Rathaus, nämlich den Johannistorturm. Immer und immer wieder. „Ich habe schon mehr als 40 Stück gebaut“, schmunzelt der 86-Jährige. Erst unlängst habe er seinem alten Bekannten Lothar Sperlich vom Club der Senioren der ehemaligen Konsumgenossenschaft eine ganze Kofferraumladung voll zukommen lassen, mit der Bitte, die Türme zu verteilen. Ein Modell brachte er daraufhin in die Lokalredaktion.
Kreativer Kaufmann
Als Ratsch, Kaufmann von Beruf, mit 65 Jahren und noch voller Elan in Rente ging, wollte er „ein bisschen was tun“. Etwas Kreatives, denn ein Bastler sei er schon immer gewesen. Und so widmete er sich dem Modellbau. Mit einer Windmühle habe alles angefangen. Dann baute er den Schiefen Turm von Pisa, das Josephskreuz bei Stolberg, die Dresdner Frauenkirche, das Holstentor der Hansestadt Lübeck und „noch viel, viel mehr“. Wie den Schornstein, den er dem Kamin- und Ofenbauer Sperlich vor einigen Jahren zum Geburtstag schenkte. Und natürlich die vielen Johannistortürme als Wahrzeichen der Einestadt. Aus Holzplatten, Pappe und Papier bestehen seine Modelle, in denen bis zu vier Wochen Arbeit stecken. „Das wird ja alles geklebt und muss erst trocknen, bevor ich weitermachen kann“, erklärt er.
Jeder Turm ein Unikat
Auch wenn das Grundgerüst immer dasselbe ist, sieht jeder Turm anders aus. Ratsch variiert in Farbe und Schmuckelementen. „Hier habe ich mal eine Muschel aus Rostock eingebaut“, sagt er und zeigt das entsprechende Modell. Ein anderes ziert ein Frosch. Quasi als Steinerne Skulptur. Das Bronzestandbild des Adam Olearius „schnitzt“ er inzwischen aus Pappe - anfänglich verwendete er dafür Puppen. Die Turmkugeln, aufgespießt auf Zahnstocher, bestehen aus dem Goldpapier von Bierflaschen. „Ich habe mir extra einen Kasten gekauft.“ Und was nie fehlt: die Persiluhr. „Ein bisschen Fantasie gehört dazu, das macht erst den Effekt“, findet Ratsch, der aus Schlesien stammt und 1957 nach Aschersleben kam. Er gehört zu den Gründungsmitgliedern des Clubs der Senioren der ehemaligen Konsumgenossenschaft.
Lust und Laune
Der Verein wurde kurz nach der Wende aus der Taufe gehoben und hat heute um die 60 Mitglieder. Ursprünglich für die Konsum-Mitarbeiter gegründet, „steht der Verein inzwischen allen offen“, erklärt der für die Öffentlichkeitsarbeit verantwortliche Sperlich. „Senioren, die Lust und Laune haben, sind herzlich willkommen, reinzuschnuppern“, rührt seine Partnerin Gudrun Hoffmann die Werbetrommel. Man treffe sich jeden zweiten Dienstag im Monat im Bestehornhaus, immer um 14 Uhr. Um bei Kaffee und Kuchen zu klönen. Doch es wir nicht nur der neueste Klatsch und Tratsch ausgetauscht. So organisiert der Vorsitzende Hilmar Luckau regelmäßig Vorträge. Mal gibt es eine Rechtsberatung, mal kommt ein Arzt.
Reiselustig
Aber auch auf Reisen gehen die Senioren. „In unserem Verein hat sich so was wie ein kleiner Reiseclub gebildet“, sagt Sperlich. Fünf bis sechs Fahrten, darunter eine mehrtägige, stehen jedes Jahr auf dem Programm. In Polen waren die reiselustigen Ascherslebener schon, in Mecklenburg-Vorpommern und im Berliner Raum mit Besuch im Filmpark Babelsberg sowie im Fahrzeugmuseum Glöthe, im Friedensfahrtmuseum Kleinmühlingen und in der Weltrad-Manufaktur in Schönebeck, um nur einige Beispiele zu nennen. „Man muss nicht unbedingt weit weg, um was zu erleben“, meint Sperlich. Daher könne er sich auch gar nicht festlegen, welche Fahrt die bisher aufregendste gewesen sei. „Eigentlich ist jede Fahrt ein Höhepunkt“, sagt er. „Reiseleiter“ Luckau habe einfach ein Händchen für die schönen Ziele. Doch ob unterwegs oder gemeinsam im Bestehornhaus: „Es macht einfach Spaß in der Gruppe“, findet Hoffmann.
