Kreativwerkstatt im Bestehornpark : Bestehornpark in Aschersleben: Nach der Schule geht's um Mode

Aschersleben - René Annecke ist an diesem Nachmittag allein unter Mädchen. Doch das macht dem Schüler nichts aus. Stoisch stickt er weiter an seinem Kissenbezug.

Er ist als Geschenk gedacht. „I love my father“ steht drauf. Jetzt geht der Faden zu Ende und er schaut hilfesuchend zu Charlotte van Lie.

Die Künstlerin aus Halle leitet die Kreativwerkstatt Mode im Ascherslebener Bestehornpark. Heute sind nur drei Jugendliche da, doch Charlotte van Lie findet das nicht schlimm. Umso intensiver kann sie sich um jeden einzelnen kümmern.

Um die 13-jährige Hannah Wanske zum Beispiel, die an der Nähmaschine sitzt, um eine Stofftasche für sich zu nähen. Das Mädchen hat sich zu Hause schon an Modezeichnungen versucht, jetzt möchte sie noch die Kunst des Nähens erlernen.

Auch Clara Opel, ebenfalls 13, ist ganz vertieft. Sie hat sich für den Kurs angemeldet, weil das Nähen ihr Hobby ist und sie sich ein paar Tricks abschauen möchte.

Vor ihr liegt das Foto eines Models, sie versucht, die Proportionen und die Pose zu erfassen und nachzuzeichnen.

Charlotte van Lie fördert das. „Um die Modezeichnung kommt man beim Designen nicht drum rum“, erklärt sie, während sie René mit dem Faden hilft.

Viele Designer würden ihre Kollektionen nach der Fertigstellung noch zeichnen und für sich interpretieren.

Sie gibt Clara Tipps, wie sie die Füße zeichnerisch hinbekommt und erklärt, dass es nicht auf korrekte Proportionen ankommt. Im Gegenteil: Arme und Beine würden vielfach bewusst verlängert, um entsprechende Wirkung zu erzielen.

Sie kommt gut an bei den Mädchen und Jungen. René jedenfalls findet, sie sei „nett und klug“, und Clara findet, sie sei „ein bisschen wie eine Freundin.“

Charlotte van Lie, die aus Eisleben stammt, hat den Faible für Stoffliches schon im Elternhaus mitbekommen. Ihre Mutter ist Schneiderin, nach dem Fachabitur ging Charlotte nach Bielefeld, um einen Bachelor-Abschluss in Modedesign zu machen.

Während eines halbjährigen Praktikums in einer Handweberei in Göttingen entdeckte sie ihre Liebe für Kunst und Design. Sie ging zurück nach Bielefeld, um ihren Master in Kulturwissenschaft und Illustration zu machen.

„Ich war schon immer interessiert an Mode als Teil der Kulturgeschichte“, sagt sie. In Halle arbeitet sie seit 2016 freischaffend, sie macht Zeichnungen und Collagen, weil sie sich so am besten ausdrücken könne.

Doch sie verhehlt nicht, dass es einen langen Atem braucht, um als Künstler auskömmlich zu leben.

„Solange man sich motivieren kann, so lange macht man das gern“, lacht sie.

Zweimal in der Woche unterrichtet sie Modedesign in Hannover. Ihr Wissen jetzt auch in Aschersleben weitergeben zu können, kommt ihrem Naturell offenbar entgegen. Die Arbeit in der Kreativwerkstatt in Aschersleben findet die 30-Jährige „ganz wunderbar“. (mz)