1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Aschersleben
  6. >
  7. Auszeit von der «Türkensteuer» und große Angst vor der Pest

Auszeit von der «Türkensteuer» und große Angst vor der Pest

19.02.2008, 17:24

Schneidlingen/MZ. - Nachdem Bischof Albrecht I. am 13. Mai 1317 Burg und Dorf Schneidlingen für 500 Mark Silber Brandenburgischer Währung von den Edelherren erworben hatte, belehnte er damit seinen Vasallen Hans von Kreiendorf. Die Familie trug ihren Namen nach einem bei Wegeleben gelegenen Dorfe, das im Jahre 1414 wüst geworden ist. Das Geschlecht führte im Wappen zwei nach innen gekehrte Krähen und besaß später Güter in Wegeleben. Es starb mit Margarete von Kreiendorf, der Witwe des Halberstädter Stiftskanzlers Peter von Weihe, um das Jahr 1640 aus. Am 22. Februar 1418 verpfändete der Bischof Albrecht IV. von Halberstadt (1411-1419) dem Ritter Henning von Freckleben und dem Knappen Berthold von Ditfurth, Henning und Dietrich Schenk das Schloss Schneidlingen nebst den Dörfern Schneidlingen und Börnecke für ein Darlehen von 612 ½ Mark auf drei Jahre. Erst der vierte Nachfolger dieses Bischofs löste den Pfandbesitz wieder ein.

Streit um das Geld

Doch die Ditfurther verweigerten die Herausgabe, da sie nach eigener Angabe 800 Gulden daran verbaut hatten. Busse von Ditfurth erhob nun am 18. Oktober 1490 Klage gegen den Erzbischof Ernst von Magdeburg, da dieser ihm das Schloss Schneidlingen gewaltsam entzogen und seinen Bruder Berthold widerrechtlich in Haft genommen hatte. Erst nach zwei Jahren wurden diese Streitigkeiten durch Herzog Heinrich von Braunschweig-Lüneburg geschlichtet. Die Ditfurther erhielten die Pfandsumme und 800 Gulden der Bausumme zurück und quittierten dem Erzbischof die vollständige Zahlung des Pfandgeldes für Schloss Schneidlingen am 25. April 1492. Am 18. Juli 1515 wurde der letzte Vertreter dieses Zweiges der Ditfurther Familie, Johann von Ditfurth, Domherr zu Halberstadt und die Söhne seiner Schwester Lucie und ihres Gatten Bruno von Donop, noch einmal mit dem Schneidlinger und Börnecker Besitz belehnt.

Nach dem Tode des Domherrn verkauften Hans und Bruno von Donop am 4. Februar 1520 diese Güter an Albrecht von Schlannewitz. Die Ritterfamilie derer von Schlannewitz gehörte zu den alten Adelsgeschlechtern des Erzbistums Magdeburg und wurde im Jahre 1284 erstmals erwähnt. Im 16. Jahrhundert besaßen die Brüder Albrecht und Hilmar von Schlannewitz Güter in Tarthun und Löderburg. Mit dem zweiten Sohne dieses Hilmar starb 1583 der letzte seines Stammes. Im Jahre 1604 kommt die Burganlage endgültig in den Besitz des Halberstädter Domkapitels.

Eine der wichtigsten Quellen zum Schicksal der Burg Schneidlingen im beginnenden 17. Jahrhundert stellt zweifellos das bisher kaum beachtete Tagebuch des Halberstädter Domdechanten, Matthias von Oppen, dar. Von Oppen, geboren in Schlalach bei Belzig um 1565 ("Erbsasse auf Schlalach, Alten Gatersleben und Quedlinburg"), somit nicht dem engeren mitteldeutschen Raum entstammend, brachte es in kurzer Zeit zum Dechanten des Domkapitels zu Halberstadt, welches er 16 Jahre mit großer Umsicht führte. Unter seiner Leitung sind zwischen 1604 und 1619 umfangreiche Umbaumaßnahmen an der Burg Schneidlingen belegt. Matthias von Oppen führte im Amt Schneidlingen anstatt der bisher noch betriebenen Dreifelderwirtschaft den Saat- und Fruchtwechsel ein. Seine Tagebuchaufzeichnungen sieht von Oppen zugleich als einen detaillierten Rechenschaftsbericht über seine Arbeit als Domdechant. So schreibt er auf Seite 221 seiner handschriftlichen Aufzeichnungen, hier im direkten Bezug auf Schneidlingen: "Meine Anschlege dieß Hauß zu verbessern, wirdt man finden in meinem consilio Finantiae und vorn in diesem Buche. Nach meinem Thode wolle es ein discretus et taciturnus canonicus zu sich nehmen und continuiren."

Von Oppen schildert mit äußerster Genauigkeit die Umstände der Übernahme des Amtes Schneidlingen durch das Domkapitel Halberstadt im Jahre 1604 sowie dessen weiteres Schicksal bis 1608, in groben Zügen sogar bis 1620. Am 25. Juni 1604 fand wohl in Halberstadt ein Treffen zwischen von Oppen als Vertreter des Kapitels und dem Bevollmächtigten Heinrich Julius von Braunschweig, D. Wharenbühler, statt, um die zwei zu verhandelnden Güter zu vergleichen, so dass man sich schließlich einigte und den Tauschkontakt aufsetzte. Am 5. Juli 1604 erfolgte die Einführung der neuen Besitzer und die feierliche Vereidigung des Gesindes. Der zuständige Amtmann Peter Gundter wurde anscheinend nicht neu eingesetzt, sondern übernommen. Der durch das Amt aufzubringende Zehnt betrug im Jahre 1604 acht Malder Weizen, 32 Malder Roggen, 90 Malder Gerste, 90 Malder Hafer sowie 48 Groschen für den Flachszehnten. Am 5. und 6. August 1604 hielt sich von Oppen zur Inspektion in Schneidlingen auf und wies Arbeiten an den Kellern und Wällen der bestehenden Anlage an; die Errichtung des Vorwerkes "Müngen" wurde begonnen und zu Arbeiten an der Burg und dem Vorwerk "Tiefenbrunn", hier für Stall und Scheune, Bauholz aus dem Raum Wernigerode angefordert.

Nur Weisung hilft

Am 26. August ging die Burgmühle durch einen geschlichteten Erbfall zu günstigen Konditionen an das Amt über. Der große Umbau der Burganlage scheint sich also nicht plötzlich vollzogen, sondern langsam und in verschiedenen Etappen über mehr als ein Jahrzehnt erstreckt zu haben. Am " ... 30. Januarii 1605 haben die Herren geschloßen, M. Simon den Zimmermann von Haußneindorf nach Schnetlingen in die newe Mühle zu setzen." Am 31. Januar 1605 stirbt der Domdechant Caspar von Kannenberg, und von Oppen wird offiziell zu dessen Nachfolger berufen. Aus Kannenbergs Nachlass fließen 500 Taler in den Auf- und Ausbau des Amtes Schneidlingen. Große Probleme mit dem Erzstift Magdeburg bzw. dem Amt Athensleben erwuchsen aus Streitigkeiten um Dämme und Grenzen sowie ein Weidicht am Mühlendamm, die sich über Jahre hinzogen. Es stand nicht selten kurz vor bewaffneten Auseinandersetzungen. Diese wurden wohl seitens des Amtes oft nur durch die Weisung von Oppens verhindert, war doch der Amtmann Peter Gundter für seine Rauflust bekannt. Zu seinem Ziel und den wirklichen Aufgaben in Schneidlingen sagte von Oppen, der wohl eher ein kluger Krieger mit der Feder gewesen zu sein scheint: "21. Septembris 1605 seind sechs Schock Quitten außm Ambt Schnetlingen gesandt unter die Pleneparticipien getheilet worden, und ist also das erste, das wir von Schnetlingen bekommen und haben alßo die Nachkommen zu ersehen, das wir die ersten Jahre großen Schaden im Rempter und unsern diversionibus gelitten und sie hernachher das Ambt wollgebeßert und bestellet empfangen, und großen Frommen haben werden. Wolan, vor meine Person bin ich friedlich, habe meinen Nutz niemals absonderlich gesucht. Der fromme Gott gebe ihnen und uns seinen Segen und Gedeihen. Amen."

Im Oktober wird Peter Gundter wegen Fehlverhaltens aus seinem Amt als Vogt entlassen und Balthasar Berndes, der in einer erhaltenen Bauinschrift aus dem Jahre 1619 erwähnt wird, zum neuen Amtmann berufen. "Eodem (10. Oktober 1605) referirt, das wier Balthasar Berndes vor einen Ambtmann nach Schnetlinge bestellet, bekeme jerlich 100 Thaler ein für alles, würde ihme auff ein Pferd, das er sich schaffte, und einen Jungen, den er unterhielte, Futter und Mahl gegeben." Am 15. Januar 1607 werden zwei Fuder Nutzholz zu Bauarbeiten nach Schneidlingen geschickt, doch schon knapp 36 Stunden später bricht dort ein großer Brand aus, der 23 Hausstellen vernichtet und dem gerade erstarkenden Amt schweren Schaden zufügt.

Die Burganlage selbst scheint durch ihre etwas entfernte Lage vom Dorf nicht in erwähnenswerte Mitleidenschaft gezogen worden zu sein. Zu allem Überfluss suchte aber im Mai des Jahres die Pest Schneidlingen heim und dezimierte die Bevölkerung beträchtlich. Oppen wies an, weitere zwei Fuder Nutzholz sowie den Baumeister Esaia Wulff nach Schneidlingen zu schicken. Der Aufbau ging zügig voran; den vom Schicksal schwer geschlagenen Schneidlingern wurde auf drei Jahre die die sogenannte "Türkensteuer" erlassen. Auch der Aufbau des Vorwerkes "Tiefenbrunn" schritt nun voran: "Eodem (19. Dezember 1607) der Baumeister, Maurer, Zimmermann, Ambtmann zu Gatersleben (als Vertreter von Oppen?) und zuforderst Herr Bieren nach Schnetlingen gezogen, den Orte des Vorwercks zu besehen und einen Anschlagk aller Materialien zu machen."

Zum weiteren Schicksal der Burg während der Amtszeit von Oppens liegen ab 1608 nur noch kurze Vermerke vor. So heißt es: "Ao. 1612 seind zu Schneitlingen zwe Ställe in der Newen Seniorscheune zu 24 Pferden und auf dem Hause beim Brauhause des Amtmanns Stube und Kammer, wie auch das Thor darselbst gebauet und die kleine renoviret und die alte hoffstube weggenommen." Weiterhin: "Ao. 1615 ist die Haube uff den Schneitlingischen Thorm gesetzt ... eodem Anoo (1616) sein 4 Stuben und 4 Kammern in das Schneitlingische Wohnhauß gebawet ..." Langsam scheinen die Bauarbeiten an der Burg Schneidlingen ihr Ende zu finden.

Vorwerk wird erweitert

1618 wird das Vorwerk Tiefenbrunn erweitert. Mit der das Jahr 1620 betreffenden Nachricht "Eodem zu Schneitlingen der Garten vorm hauße angerichtet" enden von Oppens Aufzeichnungen zum Baugeschehen auf dem Amt Schneidlingen. Die Burganlage wird auch nach seinem Tode 1621 weiter zum Zentrum eines großen landwirtschaftlichen Gutes ausgebaut.

Im Dreißigjährigen Krieg wechseln ständig die Besitzer. Zeitweise benutzen die in Egeln stationierten Schweden unter dem Kommando von General Johan Baner (1641) die Burg Schneidlingen als Depot; sie wird bei deren Abzug verwüstet. 1648 bis 1650 werden die erheblichen Schäden an der Burg durch das Domkaptitel behoben. Der Ort Schneidlingen fällt an Brandenburg (-Preußen) und wird Amtssitz mit Gericht und Steuererhebungsstelle. Die seit 1690 ständig verpachtete Burg Schneidlingen bleibt jedoch bis zur Säkularisierung 1811 domkapitularisches Gut. Daraufhin wird sie staatliches Amt und Domäne.

Neubauernhäuser

Es scheint im frühen 19. Jahrhundert ein größerer Umbau an der Anlage stattgefunden zu haben. Nach dem 2. Weltkrieg erfolgt im Wirtschaftshof die Einrichtung eines Volkseigenen Gutes. Es werden Neubauernhäuser angelegt; Saalbau und Küchengebäude dienen als Kindergarten, Altersheim sowie als Dienstwohnung, und der Osttrakt erfährt eine Nutzung zu Wirtschaftszwecken. Schon in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts wird von denkmalpflegerischer Seite auf den Verfall und die mangelnde Pflege hingewiesen, doch die schrittweise Zerstörung dieser interessanten Anlage schritt weiter fort. 1983 werden Kindergarten und Feierabendheim nach einem Schornsteinbrand baupolizeilich gesperrt. Erst nach der Wende setzen im Herbst 1990 (auf Initiative des damaligen Bürgermeisters) endlich Notsicherungsmaßnahmen an der Turmhaube und 1991 eine Schuttberäumung des Westtraktes ein. 1990 wird durch Herrn Steinhardt im Rahmen eines Postgradualstudiums an der Technischen Universität Dresden ein Konzept zur Sanierung und Nutzung des Westflügels erstellt.

Zwischen 1992 und 1994 werden mit Mitteln des Landes und des damaligen Kreises Staßfurt der Bergfried, die Dächer der übrigen Gebäude, die Wappentafeln sowie besonders gefährdete Fenster- und Türgewände gesichert und teilweise restauriert. Seitdem steht die Burg trotz ihrer günstigen Lage und erheblichen Engagements durch die damalige Gemeindeverwaltung Schneidlingen immer noch leer. Quelle: Förderverein