1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Aschersleben
  6. >
  7. Aschersleben: Aschersleben: Ziviler Ungehorsam gegen eine genmanipulierte Welt?

Aschersleben Aschersleben: Ziviler Ungehorsam gegen eine genmanipulierte Welt?

Von DETLEF VALTINK 28.09.2010, 08:29

ASCHERSLEBEN/MZ. - Der Prozess, der am Dienstag am Amtsgericht Aschersleben gegen die sogenannten Feldbefreier, die am 21. April 2008 gegen 5 Uhr Teile eines Versuchsfeldes mit genveränderten Weizenpflanzen auf dem Gelände des Gaterslebeners Leibniz-Institutes für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) zerstört hatten, eröffnet wurde, wird am Freitag, 15. Oktober, ab 10 Uhr fortgesetzt. Seitens der Verteidigung und der Rechtsbeistände wurden 13 Beweisanträge gestellt, über deren Zulassung das Gericht und die Staatsanwaltschaft jetzt erst einmal entscheiden müssen.

Die sechs Angeklagten wollen beweisen, dass das von ihnen eingestandene Zerstören des Versuchsfeldes nach Paragraf 34 des Strafgesetzbuches gerechtfertigt war. Für die Festlegung des Strafmaßes ist es zudem notwendig festzustellen, wie hoch der durch die "Feldbefreier" verursachte Schaden wirklich ist. Denn weder im Zivilprozess am Landgericht Magdeburg noch beim Berufungsprozess am Oberlandesgericht Naumburg wurde eine genaue Schadenssumme bisher definiert und festgelegt.

Die Anregung der Vorsitzenden Richterin Elke Plaga, über eine Einstellung des Verfahrens beziehungsweise einen Freispruch nachzudenken, wurde seitens der Staatsanwaltschaft verworfen. "Man kann nicht einfach ein Verkehrsschild herunterreißen, nur weil es mir nicht passt", verdeutlichte Staatsanwältin Gordula Neubauer. Bezugnehmend auf den Paragrafen 34 verneinte Frau Neubauer, dass eine Gefahr gegeben gewesen sei, die ein Handeln erforderte, um eine rechtswidrige Lage zu beseitigen. "Dafür ist der Staat und nicht der Einzelne zuständig", erklärte die Staatsanwältin. Zudem müsse man ein Ergebnis akzeptieren, wenn der Rechtsweg erschöpft sei. Von daher sei eine Geldstrafe auf jeden Fall tat- und schuldangemessen.

Im Gegensatz dazu argumentierten die Angeklagten, dass eine Gefahr unmittelbar bevorstand, die ihr Vorgehen rechtfertigte und plädierten für Freispruch. Denn der genveränderte Weizen stand am Tattag kurz vor der Blüte, so dass aus ihrer Sicht es nicht auszuschließen war, dass durch den Pollenflug die rund 500 Meter entfernten Felder der IPK-Gen-Bank-Erhaltungsaussaaten hätten "verseucht" werden können. Denn das IPK beherbergt eine der größten Genbanken für Kulturpflanzen weltweit und muss, wenn das gelagerte Saatgut seine Keimfähigkeit verliert, für neues Saatgut sorgen. "Wenn in direkter Nachbarschaft der Nachzuchtflächen Gen-Weizen seinen Pollen einträgt, werden durch Kontamination Ernährungsgrundlagen zerstört", argumentieren die Angeklagten. Da rechtliche Widerspruchswege nach Abschluss des Genehmigungsverfahrens nicht mehr möglich waren, berufen sich die "Feldbefreier" auf das anerkannte Recht des zivilen Ungehorsams. "Die Genehmigung war nicht nur rechtswidrig, sondern nichtig, weil sie hätte nicht erteilt werden dürfen. Zudem ist niemand auf die Idee gekommen, die Sicherheitsbestimmungen zu hinterfragen", ist die Verteidigung überzeugt. "Außerdem werden die Ziele der nachhaltigen ökologischen Landwirtschaft ausgehebelt und wissenschaftliche und wirtschaftliche Interessen, über die der Bürger gestellt", verteidigte sich der Angeklagte Axel Jacob M., der wie die Mitangeklagten Mirjam A., Patricia D., Lea H., Susanne M.-M. und Christian P. sich darauf beruft, dass jeder Mensch eine ethische Verantwortung hat.

Die Angeklagten im Prozess nach der Zerstörung eines Genweizenfeldes stehen im Amtsgericht in Aschersleben (Salzlandkreis) in einem Verhandlungssaal. (FOTO: DPA)
Die Angeklagten im Prozess nach der Zerstörung eines Genweizenfeldes stehen im Amtsgericht in Aschersleben (Salzlandkreis) in einem Verhandlungssaal. (FOTO: DPA)
dpa-Zentralbild
Anschlag auf das Genweizenfeld im IPK Gatersleben (FOTO: FRANK GEHRMANN)
Anschlag auf das Genweizenfeld im IPK Gatersleben (FOTO: FRANK GEHRMANN)
CARDO