Aschersleben Aschersleben: Mit gezielten Übungen zurück ins Leben
Aschersleben/MZ. - Früher habe Sport in seinem Leben keine große Rolle gespielt. Stark eingespannt im Beruf "bin ich nie groß dazu gekommen", gibt Hartmut Bethge, damals Leiter Instandhaltung bei Alcan in Nachterstedt, zu. Heute kann der 71-Jährige nicht mehr ohne. Er ist Abteilungsleiter beim SV Lok, trainiert fast täglich. Nicht allein. Als Übungsleiter im Gesundheits- und Rehablilitationssport - die Ausbildung hat er vor neun Jahren gemacht - steht er auch anderen zur Seite, die ihr Herz trainieren wollen beziehungsweise müssen. Der Lebensqualität wegen.
Bethge selbst weiß genau, was es bedeutet, wenn der Körper streikt. Vor 15 Jahren erlitt er einen Herzinfarkt. Körperlich wie emotional ein Tiefschlag. Aber Bethge rappelte sich wieder auf: "Man fängt an, umzudenken, stellt sein ganzes Leben auf den Kopf." Um zu leben. Ihm sei sehr schnell klar geworden, "ich muss was tun; nicht nur die Ernährung umstellen, sondern mich fit machen." Und so stieß er direkt nach dem Klinikaufenthalt und der Reha zur damals gerade gegründeten Herzgruppe. "So bin ich gar nicht erst rausgekommen aus dem Training", so Bethge. Und die ersten Erfolge ließen nicht lange auf sich warten. Ergab sein Belastungs-EKG kurz nach dem Infarkt eine Leistung von 75 Watt - das entspricht in etwa langsamem Treppensteigen -, steigerte er sich nach und nach auf 175 Watt, erzählt er stolz. Ein Wert, der sogar extreme sportliche Aktivitäten zulässt. Der Herzgruppe blieb er treu. "Es hat mir einfach Spaß gemacht", sagt der Ascherslebener, der damals ein Mitglied wie jedes andere war.
Bis eines Tages der Sportarzt an ihn herantrat. "Übungsleiter haben gefehlt", erklärt Bethge, der sich dazu entschloss, eine entsprechende Ausbildung zu absolvieren. Über einen Zeitraum von zwei Jahren erstreckten sich die Lehrgänge. Dann hatte er die Lizenz in der Tasche. "Wenn man selbst betroffen war, kann man sehr gut einschätzen, wann es für den Einzelnen zu viel ist und wann zu wenig." Den goldenen Mittelweg gelte es zu finden, ob beim Kraftausdauertraining, der (Wasser-)Gymnastik oder den Bewegungsspielen. "Man muss die Übungsfolge so gestalten, dass es weder zu einer Unterbeanspruchung noch zu einer Überbelastung kommt", weiß er. Und langweilig soll’s auch nicht werden, deshalb gleiche keine Übungsstunde der anderen: "Ich lasse mir immer mal was Neues einfallen."
Wie Katrin Stumpp. Sie ist auch Übungsleiterin. "Ich bin seit fast vier Jahren dabei und habe heute wieder neue Übungen kennengelernt", so Frank Lindner, der jetzt Rehasport macht, aber noch bis zu seinem 55. Lebensjahr aktiv Handball gespielt hat. "Die letzten Spiele bin ich nur noch übers Parkett geschlichen." Die Hüfte, sagt der heute 63-Jährige. 2006 bekam er schließlich ein neues Hüftgelenk. "Der Chefarzt hat mir damals gesagt, wir würden uns in einem halben Jahr wieder sehen - wegen des zweiten Hüftgelenks", erinnert sich der Hettstedter, "das habe ich nun schon fünf Jahre lang herausgeschoben und ich hoffe, ich schaffe das auch weiterhin."
Optimismus, der wachsen musste, denn ein Jahr nach der OP und der im Anschluss verordneten Physiotherapie habe es gar nicht so gut ausgesehen. "Ich bekam gesundheitliche Probleme, hatte Rückenschmerzen und Schmerzen im rechten Oberschenkel", erinnert sich Lindner, "ich wollte mich im Fitnessstudio anmelden, aber der Orthopäde hat es mir verboten." Übungen falsch ausgeführt, können die Beschwerden verschlimmern, so die Erklärung. Er erzählte ihm, dass es in Aschersleben seit kurzem eine Gruppe gebe, in der der Stütz- und Bewegungsapparat trainiert wird, und verordnete ihm Rehabilitationssport. "Das hat mir geholfen. Seitdem ich den Sport mache, geht es mir besser", so Lindner. Deshalb entschied er sich weiterzumachen, auch nach den von der Krankenkasse genehmigten (Wasser)Gymnastik-Einheiten. "Es ist großartig, dass es die Möglichkeit überhaupt gibt, auch außerhalb der Verschreibungspflicht Rehasport zu treiben", findet er; Klinikum und SV Lok sei Dank.
Als alter Sportler habe er schon in den 80er Jahren Kontakte zum Verein gepflegt, damals nicht ahnend, einmal selbst beizutreten. "Völlig überraschend kam dann auch noch, dass ich hier Hartmut Bethge als Abteilungsleiter wiedergetroffen habe", so der gelernte Schlosser und Diplom-Ingenieur. Die beiden Männer kennen sich nämlich schon lang, haben 1971 in Hettstedt zusammen gearbeitet.