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Aschersleben Aschersleben: «Ich bin ein Quartalssäufer»

Von DETLEF VALTINK 18.10.2011, 18:19

ASCHERSLEBEN/MZ. - "Trotz der unerfreulichen Gesamtumstände ist es nicht zulässig; und deshalb ist eine empfindliche Geldstrafe notwendig", begründete Strafrichterin Elke Plaga, warum Torsten B. (Name von der Redaktion verändert) wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und unter Alkoholeinfluss zu 150 Tagessätzen zu je elf Euro Strafe vom Amtsgericht Aschersleben verurteilt wurde.

Der 52-jährige gebürtige Sanderslebener und jetzt in Kulmbach wohnende Angeklagte war am 15. Juni dieses Jahres am Vormittag von der Polizei im Ascherslebener Hellgraben angehalten worden, weil er beim Abbiegen den Blinker seines Autos nicht betätigt hatte. Bei der Kontrolle war den Beamten schnell bewusst geworden, dass Torsten B. unter Alkoholeinfluss stand.

1,70 Promille lautete das "ernüchternde" Ergebnis. Zudem war der Kulmbacher nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis. Die hatte er bereits vor über zehn Jahren nach einem ähnlichen Vorfall nie wieder abgefordert, weil er nicht wieder auffällig werden wollte und sie für den Job auch nicht benötigte. "Ja! Ich bin schuldig", redete Torsten B. nicht um den heißen Brei herum und erkannte auch sofort das Urteil an.

Denn mit der "nüchternen" Straftat war für den 52-Jährigen nicht nur "das Maß voll", sondern auch "endlich" die Erkenntnis gereift, dass sich in seinem Leben etwas ändern muss. "Ich bin ein Quartalssäufer, der immer gedacht hat, ich kriege das alles allein hin", bekannte der Angeklagte vor Gericht. Die Illusion wich erst in diesem Jahr und endete nach einer stationären Behandlung in einer geschlossenen Einrichtung, jetzt in einer tablettengestützten Langzeittherapie, in der nicht nur die Trunksucht behandelt werden muss. Denn Torsten B. leidet auch unter erheblichen psychologischen Störungen. Nach dem Verlust der Arbeit, Krankheiten und nicht unerheblichen familiären und privaten Problemen, geriet der Kulmbacher in einen Abwärtsstrudel, aus dem er sich nicht befreien konnte.

Es folgte die erste Trunkenheitsfahrt, später dann noch Diebstahlhandlungen. Der 52-Jährige verlor nicht nur seine Bodenhaftung, Familie und Freunde, sondern auch die Lust am und die Kraft zum Leben. "Ich wollte mich umbringen und habe das mehrmals versucht. Doch immer war ich noch zu feige", erzählte Torsten B. freimütig. Zum "letzten Versuch" war er gerade in die Froser Straße unterwegs, als ihn die Polizei stoppte. 500 Meter hätten nur noch gefehlt, um an das Ziel zu gelangen. Auslöser soll dafür eine tags zuvor stattgefundene Familienfeier gewesen sein, nach der Torsten B. der Meinung war, "jetzt nicht mehr zu können". Der nicht gesetzte Blinker und die Folgen waren somit nicht nur lebensrettende Aktionen, sondern auch der Startschuss für ein neues Leben. Für dieses wünschte ihm Elke Plaga: "Ich hoffe, Sie finden einen Weg, um ohne Alkohol und Tabletten leben zu können."