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Engpass bei Medikamenten Apotheker in Aschersleben zum Liefer-Engpass bei Medikamenten: Vorsorgliche Lagerhaltung kann helfen

Von Harald Vopel und Tina Edler 15.11.2019, 06:56
In Deutschland gibt es derzeit Lieferengpässe bei Medikamenten.
In Deutschland gibt es derzeit Lieferengpässe bei Medikamenten. dpa

Aschersleben - „In Berlin wird viel über die Digitalisierung gesprochen. Was hilft das aber, wenn ganz analoge Medikamente nicht verfügbar sind. Da werden Prioritäten wohl auch mal falsch gesetzt“, sagt der Inhaber der Central Apotheke im Ascherslebener Kaufland, Andrè Georgie.

Längst können auch er und seine Apotheker-Kollegen in der Region Aschersleben nicht mehr problemlos alle von den Ärzten verschriebenen Medikamente über den Ladentisch reichen.

Lieferschwierigkeiten gibt es derzeit beispielsweise bei Blutdruckmitteln, Antibiotika oder Schmerzmitteln. Das sind aber nur drei Beispiele von mehreren hundert. Lieferengpässe, die sich in vielen Fällen tatsächlich auch zu Versorgungsengpässen ausweiten, machen nicht nur den Apothekern, sondern auch den Patienten und Ärzten das Leben schwer.

Bundesamt hat 260 Meldungen über Lieferengpässe für Arzneimittel in Deutschland

Maik Pommer, Sprecher des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erklärt dazu, dass die Auslöser für einen Lieferengpass häufig Produktionsprobleme sein können. Etwa, wenn Herstellungsprozesse umgestellt würden, aufgrund von Qualitätsproblemen Ware nicht freigegeben werden könne oder wegen einer gestiegenen Nachfrage die Kapazitäten erhöht werden müssten.

Er sagt: „Vor allem, wenn beispielsweise für einen Wirkstoff oder ein Zwischenprodukt nur wenige Hersteller vorhanden sind, besteht ein erhöhtes Risiko, dass sich ein Lieferengpass zu einem Versorgungsengpass entwickeln kann.“ Dem BfArM lägen aktuell rund 260 Meldungen über Lieferengpässe für Humanarzneimittel in Deutschland vor, sagt Pommer.

Insgesamt seien rund 103.000 Arzneimittel zugelassen. „Rund 100 der 260 Meldungen beziehen sich auf den Wirkstoff Valsartan, der bei der Behandlung von Bluthochdruck und leichter bis mittelschwerer Herzinsuffizienz eingesetzt wird“.

Lieferengpass sei nicht dasselbe wie Versorgungsengpass, erklärt der Sprecher des Bundesamtes

Ein Lieferengpass müsse aber nicht gleichzeitig ein Versorgungsengpass sein, betont Pommer. Da oftmals alternative Arzneimittel zur Verfügung stünden, könnten die Patienten dennoch sicher versorgt werden. Das Institut prüfe bei gemeldeten Lieferengpässen, „ob und gegebenenfalls wie viele Alternativpräparate bei Produktionsproblemen verfügbar sind“.

In enger Abstimmung mit Herstellern und ärztlichen Fachgesellschaften könnten „besondere Problemlagen rasch identifiziert und mögliche Lösungswege für die Patientenversorgung angestoßen werden“, sagt der Sprecher.

Die Pharma-Hersteller verkaufen ihre Arzneimittel lieber in anderen Ländern, meint ein Apotheker

Apotheker wie Martin Reymann, der die Apotheke am Hohen Tor in Aschersleben betreibt, sehen allerdings auch andere Gründe für die Misere. Die sei nämlich politikgemacht. Und als letztes Glied in der Kette sei man als Apotheker dagegen so gut wie machtlos, so Reymann. Vor allem seien es die in Deutschland niedrigen Preise für Arzneimittel.

Das führe schließlich dazu, dass die Hersteller ihre Produkte lieber in anderen Ländern verkaufen, wo der Profit am Ende höher ausfällt. Gleichzeitig würden die Krankenkassen mit den Lieferanten um jeden Cent feilschen. In der Praxis kommt erschwerend hinzu, dass im Voraus nicht auszumachen ist, welches Medikament demnächst nicht zu haben ist.

„Mal gibt es das, dann mal wieder etwas anderes nicht“, so Martin Reymann. Die Kunden würden dieses Spiel inzwischen kennen und meist eher gelassen reagieren. Trotzdem versuche er das eine oder andere gerade rare Medikament doch zu besorgen. Dabei fürchtet Reymann - auch wie die meisten seiner Kollegen - dass sich die Lage in absehbarer Zeit nicht entspannen werde. Im Gegenteil, es werde noch schlimmer, vermutet Martin Reymann.

Apotheker Andrè Georgie setzt auf eine vorsorgliche Lagerhaltung

Dessen Kollege von der Central Apotheke im Kaufland, Andrè Georgie, setzt auf eine vorsorgliche Lagerhaltung. Das koste allerdings viel Zeit und binde Geld. „Zum Glück verfügen wir über ein entsprechend großes Lager“, erklärt er. Und weiter: „Wir kaufen, wenn es die Medikamente gerade gibt.“ Vom wem - ob aus dem Großhandel oder direkt vom Hersteller, das bleibe sein Betriebsgeheimnis, so Georgie.

In vielen Fällen könne der Kunde aber auch auf alternative Medikamente ausweichen. Das gehe in den meisten Fällen aber nur in Absprache mit dem behandelnden Arzt. Da greife er dann einfach zum Telefon, um den jeweiligen Fall mit dem Arzt zu besprechen, sagt der Apotheker.

Auch Kliniken betroffen

Übrigens nicht nur Hausarztpatienten, niedergelassene Ärzte und Apotheker sind von den zunehmenden Lieferengpässen betroffen, sondern auch Krankenhäuser. Es sei ein Zustand, der einfach nur nervt, sagt Thomas Neubert, Sprecher der Ameos-Klinik Aschersleben. Die Versorgung der Patienten mit Arzneimitteln sei zwar zu 100 Prozent gesichert, nicht selten müsse aber in der Klinik auf Alternativmedikamente umgestiegen werden. Das koste außerdem Zeit, weil den Patienten oft die möglicherweise veränderte Dosierung und die Einnahme der neuen Medikamente erklärt werden müssen, so Neubert.

(mz)