Amtsgericht Aschersleben Amtsgericht Aschersleben: Prozess um Erotik-Chat ohne Sozialversicherung

Aschersleben - Der Vorwurf wiegt schwer: Gerd M. (Namen geändert) soll für seinen Mitarbeiter keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt haben. Dass er selbst und sein 52-jähriger Mitarbeiter in der Erotikbranche arbeiten, spielt für das Sozialwesen keine Rolle. Gezahlt werden muss, auch wenn die Arbeit am heimischen Rechner stattfindet.
Doch handelt es sich bei dem Mitarbeiter überhaupt um einen Mitarbeiter oder doch eher um einen Selbstständigen? Um 810 Euro geht es, die von Januar bis Oktober 2014 nicht gezahlt worden sind. Um Gerd M. wegen Betrugs zu verurteilen hätte das Gericht beweisen müssen, dass es sich bei Mitarbeiter Ulf F. um einen „abhängig Beschäftigten“ handelt. Doch wie sich in der Verhandlung herausstellte, gab es zwischen dem Angeklagten und Ulf F. zwar einen Vertrag, aber keine festen Arbeitszeiten. Wann sich der EU-Rentner vor den heimischen Rechner setzt, um sich als Chat-Moderator eine Kleinigkeit hinzuzuverdienen - das blieb ihm selbst überlassen.
Die Software für das Chat-Programm bekam er zwar vom Angeklagten genauso wie anfangs „einige Tipps, was man den Kunden so schreibt“. Der Rechner jedoch gehört ihm, er bezahlte eine anstehende Reparatur selbst, besitzt einen Gewerbeschein und nutzte den eigenen Internetvertrag. Auch den Strom aus der heimischen Steckdose bekam er nicht vergütet.
Was er verdiente mit den schlüpfrigen Dialogen, das hing nach seinen Worten ganz davon ab, wie lange er die Kunden im Chat halten konnte. Angeblich gab es keine Mindestvorgaben. Meist habe er zwischen 200 und 300 Euro im Monat verdient, gibt der Zeuge vor Gericht an. Welche Regelung es im Falle von Urlaub oder Krankheit gegeben habe, wollte der Richter wissen. Doch dazu konnte Ulf F. keine Auskunft geben. „Ich war immer da. Über einen Ausfall habe ich gar nicht nachgedacht“, beteuert er treuherzig.
Letztlich konnte das Gericht nicht hinlänglich beweisen, dass Ulf F. abhängig bei Gerd M. beschäftigt war. Deshalb musste Gerd M. freigesprochen werden. „Die Arbeitswelt hat sich verändert“, so das Fazit von Richter Robert Schröter in seiner Urteilsbegründung. „Da ist es manchmal nicht mehr so leicht zu unterscheiden zwischen selbstständiger und nichtselbstständiger Arbeit.“ In dem Falle jedoch seien die Kriterien, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen, überwiegend nicht erfüllt. (mz)