Adventskalender Aschersleben Adventskalender Aschersleben: In der Weihnachtsbäckerei Kattner

Frose - „Unser Müller hat immer gesagt, früher war es die Aufgabe eines Bäckers, Hungrige satt zu bekommen. Heute ist es umgekehrt, da muss er Satte hungrig machen“, lacht Sven Kattner, der mitten in seiner Backstube steht. „Brot und Brötchen in sehr guter Qualität gibt es inzwischen nämlich überall“, weiß der Bäckermeister, der gemeinsam mit seiner Frau Frauke die Froser Bäckerei Träger betreibt.
Deshalb haben sich die beiden eine Nische gesucht und sie wohl mit ihren vielfältigen Kuchen, Plätzchen und Torten - alle nach altem Familienrezept - auch gefunden. Denn die Kundschaft kommt aus der ganzen Region.
Kuchen und Plätzchen nach Familienrezept
In diesem Jahr öffnen wir im Advent wieder Türen. Türen zu Orten, an die nicht jeder kommt. Ob Kranführerhaus, Rathauskeller oder Wasserturm. Lassen Sie sich überraschen!
Wie zum Beweis zieht der Bäcker ein Blech voller Anisplätzchen aus dem Ofen. „Die sind ziemlich kompliziert zu backen, da gibt es nicht viele, die diesen Aufwand betreiben“, zählt er stundenlange Vorbereitungen vom Warmstellen der Zutaten übers einstündige Rühren bis zum vorsichtigen Backen auf.
Und meint schmunzelnd: „In der Backstube haben wir die gleichen vier Feinde wie die Bahn: den Frühling, den Sommer, den Herbst und den Winter...“ Wenn es nämlich draußen feucht sei, werden die Plätzchen nicht richtig trocken. „Man macht irgendwie jeden Tag das Gleiche, es kommt aber nie dasselbe dabei raus.“
Sven Kattner ist schon seit der Nacht auf den Beinen. „Dreiviertel Zwölf stehe ich auf, dann koche ich erst einmal Pudding, mache Dinkel- und Milchbrötchen“, zählt der 48-Jährige auf, der dann - so etwa ab 2 Uhr nachts - nach und nach Unterstützung von seinen drei Gesellen bekommt.
Dann geht es ans Brotbacken. Von 14 bis 16 Uhr macht der Bäckermeister seinen Mittagsschlaf. Danach geht es weiter bis abends halb Acht. Da werden Plätzchen gebacken und der Sauerteig für den nächsten Tag vorbereitet, zeigt er auf den riesigen gefüllten Bottich - im Fachjargon Drehhebelkneter genannt.
„Alles in allem ein Knochenjob“, nickt der Froser. Nicht nur der Arbeitszeiten wegen. „Es ist auch körperlich schwer“, denkt er an das lange Stehen und die gewichtigen Backzutaten. „So ein Mehlsack wiegt 50 Kilogramm, der Zucker 25.“ Auch wenn in der Backstube viele Geräte, wie Spiralkneter oder Brötchenpresse, stehen. „Wenn man Teig macht, muss man den auch wieder aus der Maschine herausbekommen. Und der ist ziemlich zäh.“
900 bis 1000 Brötchen aller Sorten werden jeden Tag gebacken. Dazu 80 Brote und das Feingebäck. „Das bekommt man nur hin, wenn man gute Leute hat - bei uns ist nämlich alles Teamarbeit“, nickt Kattner, dessen Unternehmen immerhin zehn Mitarbeiter beschäftigt. Neben ihm und seiner Frau sind das Gesellen und Verkäuferinnen. Seine Frau Frauke, eine geborene Träger, deren Eltern und Großeltern die Bäckerei schon betrieben haben und die damit quasi aufgewachsen ist, sei für alles zuständig. Sie dekoriere die Torten, wache über den Verkaufsraum, helfe auch beim Bedienen der Kundschaft mit aus und mache den ganzen Einkauf.
Ende des 19. Jahrhunderts war die Froser Bäckerei Träger übrigens noch ein Stellmacherbetrieb, dessen Inhaber für seine Tochter eine Backstube daraus machte. Die ging 1933 an die Familie Träger über.
Frauke Kattners Opa übernahm die Bäckerei 1935. „Da war hier alles viel kleiner und enger als jetzt. Als Fraukes Vater die Bäckerei dann 1966 übernommen hat, hat er groß umgebaut“, zeigt Sven Kattner auf die weißgeflieste Backstube, die 1994 auch einen modernen Ofen bekam.
Zehn Quadratmeter Backfläche, verteilt auf fünf Herde, die zur gleichen Zeit unterschiedliche Temperaturen haben können. Seit 2003 liegt das Geschäft nun in den Händen von Sven und Frauke Kattner. (gin)
„Bei den Zutaten versuchen wir, so viel wie möglich aus der Region zu bekommen“, nennt der Bäcker als Beispiel Mehl aus Meisdorf und Eier aus Welbsleben. Und davon braucht die Bäckerei Träger ziemlich viel. Rund 800 Kilogramm Mehl in der Woche und 100 Kilogramm Zucker.
Den hat der 48-Jährige gerade an seinen Händen kleben. Denn die ruhigen Abendstunden in der Backstube nutzt er, um die Stollen einzustäuben. Dazu pinselt er sie mit ordentlich viel flüssiger Butter ein und wälzt sie in einem Zucker-Puderzucker-Gemisch. „Nach einem alten Hausrezept“, schmunzelt er und meint: „Wir backen viel nach traditionellen Rezepten - und wir haben wirklich schöne Rezepte.
Das ist der Vorteil, wenn man in einer Bäckerei arbeitet, die schon seit vielen Jahren besteht.“ Danach werden auch die goldbraunen Stollen in fünf verschiedenen Größen - von 250 bis 1500 Gramm - gebacken.
„Nur mit guten Zutaten: abgeriebene Zitronenschale statt Zitronenaroma, Butter und ein bisschen Schmalz mit dran. Auch die Mandeln rösten wir an, das ist geschmacksintensiver. Und wir machen alles nach Wunsch“, zeigt er auf eine Stolle ganz ohne Rosinen.
Stockbrotteig oder Teig für Martinshörnchen
„Das ist der Vorteil einer kleinen Bäckerei: Wir können schnell auf Sonderwünsche reagieren.“ Und davon bekommt die Bäckerei ziemlich viele. So würden sie in der Vorweihnachtszeit zum Beispiel für eine Familie stets ein großes Blech Lebkuchen - ebenfalls nach jahrzehntealtem Rezept - backen, damit die Kinder ein Lebkuchenhaus daraus bauen können. Viele Bildertorten werden gemacht. Auch mit ungewöhnlichen bis unmöglichen Füllungen. „Zu Halloween hat sich mal jemand Finger aus Marzipan gewünscht, ein anderer wollte ein riesengroßes Schweineohr.“ Und für Kindergärten machen sie Stockbrotteig oder Teig für Martinshörnchen.
Doch solche Wünsche erfüllt er gern, erklärt Kattner und staubt sich die zuckrigen Hände ab. Noch ist der Arbeitstag aber nicht zu Ende. Jetzt muss Sven Kattner Honigkuchenteig machen. Vorher noch einen Kaffee. „Das da ist mein Lebenselixier“, zeigt er auf zwei volle Kaffeekannen. „Das hält ihn wach“, bestätigt Verkäuferin Grit Gürke, die gerade den Abwasch macht. Ihr Chef muss lachen. Ja, die Arbeit ist schwer. „Es macht mir aber auch unheimlich viel Spaß!“ (mz)