25 Meter vor Kameralinse 25 Meter vor Kameralinse: Dessauer Fotograf Thomas Hinsche steht Wolf Auge in Auge gegenüber

Dessau - „D..., d..., du glaubst nicht, w.. was mir grad passiert ist.“ Die Stimme des Bruders zitterte noch vom eisigen Frost. Naturfotograf Thomas Hinsche war eben wieder aus dem Busch an den Straßenrand gekommen, wo Bruder Uwe zufällig mit dem Auto vorbeikam und stoppte. „Ich habe tatsächlich meinen ersten Wolf vor die Linse bekommen“, ist der passionierte Fotograf selbst noch ziemlich fassungslos: „Wild und frei lebend, ist er mir direkt vor die Kamera gelaufen! Ich bin begeistert vom Isegrim. Es sind so kraftvolle und beeindruckende Tiere“.
Glückstreffer gelang am vergangenen Freitag kurz nach dem Mittag im Bereich des Sieglitzer Berges
Dieser Glückstreffer gelang am Freitag kurz nach Mittag und aus purem Zufall. „Das ist schon was Besonderes. Ich hatte es nie darauf angelegt und nun ist es passiert“, staunt Hinsche am Montag noch immer. Am Freitag hatte er keine spezielle Wunschliste, wollte sich die selten so schöne, weiße Winterlandschaft mal ganz unverbindlich mit dem Auge des Fotografen ansehen.
Im Bereich des Sieglitzer Berges hatten sich auf Wiese und Acker eine Reihe Gänse versammelt, die es bei Schnee und Eis schwer haben mit der Nahrungssuche. Hinsche nahm aus einem Versteck die Vögel aufs Korn seiner Spiegelreflex-Kamera. Waren die Gänse auch einem zweiten Beobachter ins Auge gefallen? „Jedenfalls hat es mich voll überrumpelt, als ich beim nächsten Blick plötzlich den Wolf ganz scharf auf der Linse hatte.“ Und der große graue Jäger trabte mit gesenktem Kopf und Nasenarbeit im Schnee stracks in Richtung des stillen Beobachters.
Bei etwa 25 Meter Entfernung, drückte Hinsche auf den Auflöser. Dieses klackernde Geräusch ließ den Wolf erschreckt zusammenzucken. „Dann war er in Sekundenschnelle auch schon wieder verschwunden.“ Hinsche konnte noch zweimal seine Kamera auslösen und ist nun um eine einmalige Begegnung reicher.
Wolfskompetenzzentrum in Iden spricht nach Sichtung der Fotos von einem Wölflein, einem Jungwolf
Die Brüder Uwe und Thomas Hinsche haben sich dann noch die Spuren angeschaut. „Da war nichts weiter zu finden. Der Bursche war allein unterwegs“, glaubt Uwe Hinsche. Das Wolfskompetenzzentrum Sachsen-Anhalt in Iden, dem der Fotograf sein Bild zeigte, spricht von einem „Wölflein“, meint damit wahrscheinlich ein Jungtier von letztem Jahr. Dass er auf die Betrachter so groß und mächtig wirkt, hängt wahrscheinlich mit dem dicken, prächtigen Winterfell zusammen.
Ja, er hatte Herzklopfen, bestätigt Thomas Hinsche. Aber nicht aus Angst vor dem Tier, sondern davor, dass die Aufnahme verwackelt oder nicht scharf wäre. Die braucht der angesehene Fotograf wirklich nicht zu haben. „Ich bin seit Jahren in der Natur unterwegs und ein Freund der Artenvielfalt an der Mittelelbe. Und der Wolf gehört dazu und rundet das Gesamtbild hier ab.“
Thomas Hinsche ist seit Jahrzehnten in der Dessauer Natur unterwegs
Die heimische Flora und Fauna haben ihm unzählige Motive vor sein Objektiv gebracht. Davon erzählten bereits Ausstellungen und Titelbilder auf Magazinen, davon berichtet Hinsche auf Website und Blog oder im Dessauer Kalender und zum gemütlichen Blättern im 2016 erschienenen Buch „Lebensraum großer Strom: Tierwelten im Biosphärenreservat Mittlere Elbe“.
Die Texte zu dem im Verlag Janos Stekovics Janos erschienenen Bildband schrieb der renommierte Forscher und Umweltschützer Ernst Paul Dörfler, auch der ein bekennender Liebhaber und Verehrer der Mittelelbe. (mz)