Wohnen in Museen Wohnen in Museen: Hotels locken ihre Gäste zunehmend mit Kunst

Berlin/ddp. - Der Maler und Aktionskünstler Wolf Vostell will die Gäste des «sorat art'hotels» am Berliner Kurfürstendamm offenbar animieren, das Doppelbett aktiv zu nutzen. Die Stimmung am Morgen nach der heißen Nacht wünscht er sich dagegen deutlich kühler. Im Frühstücksraum hängt ein Bild aus Acrylfarben, Spray, Beton und Zinn, das an einen grauschwarzen Wasserfall erinnert.
Statt üblicher Nachdrucke hängen im Hotel Originale, das Design ist ganz auf die Kunst Vostells abgestimmt. 1990, als das Vostell-Haus seine Pforten öffnete, stieß es noch in eine Marktlücke. Heute sind Kunst-Hotels keine Seltenheit mehr. Das Konzept hat sich durchgesetzt.
«Zu Beginn der 90er fristeten solche Häuser noch ein Schattendasein. Inzwischen suchen die Betreiber jedoch Nischen, um sich von der Konkurrenz abzusetzen. Die meist kleineren Kunst-Hotels sind zu einem profitablen Marktsegment avanciert», weiß Stefanie Heckel vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband. Häuser wie das Leipziger «Galerie Hotel» oder das Hamburger «Gastwerk», ein Kunstobjekt an sich, das in eine ehemalige Gasfabrik hineingebaut wurde, melden eine höhere Auslastung als im Standortschnitt.
Der Immobilienunternehmer Dirk Gädeke hat wesentlichen Anteil an dieser Entwicklung. Das Berliner «sorat art'hotel» baute er ursprünglich nur, um seine Sammlung an Vostell-Werken zu präsentieren: «Ich bin kein Hotelier, ich dachte damals, dass das mein einziges Projekt in diese Richtung bleiben wird.» Doch der Erfolg änderte seine Pläne. «Die Kunst profitiert von den Hotels und umgekehrt. Die Profite ermöglichen mir, weiter Kunst zu kaufen und diese gibt den Häusern ein unverwechselbares Image», freut sich Gädeke.
Auch Dresden und Budapest haben jetzt ein «art'hotel», in Berlin baute er noch ein Haus mit Andy-Warhol-Exponaten und eines mit Georg-Baselitz-Bildern. Dort essen die Gäste in einem Rokoko-Palais, das in das Hotel integriert wurde. In den Fluren laufen sie über ein Aristoteles-Zitat: «Ziel der Kunst ist nicht die Darstellung der äußeren Erscheinung der Dinge, sondern ihrer inneren Bedeutung.»
Ein Satz, den sich Gädeke zu Herzen nimmt: «Mein Ziel sind nicht Hotels mit Kunst-Gimmicks, sondern Museen, die man bewohnen kann. Der Künstler soll sich nicht der Einrichtung unterwerfen.» Die jeweiligen Betreiber dürfen an der Konzeption nur wenig ändern. Im «sorat art'hotel» fuhr gar Vostell selbst bis zu seinem Tod 1998 regelmäßig im Cadillac vor, um sich zu überzeugen, dass die Videoschirme in seinen Installationen auf den richtigen Sender eingestellt waren.
Doch nirgendwo haben Künstler so viel Einfluss auf ihr Werk wie im Berliner Künstlerheim Luise. Jeder gestaltet ein Zimmer in völliger Eigenregie und erhält fünf Prozent des Raumerlöses. «Einzige Bedingung ist eine gastliche Atmosphäre», sagt der Galerist Christian Brée, einer von drei Gesellschaftern des Hotels. Etwa alle zwei Jahre wechselt die Ausstattung eines Zimmers. So entstand eine bunte, einzigartige Mischung aus Bananen-Graffiti, Gipsstrümpfen an der Wand, ausgefallenen Möbeln, Cartoons und farbigen Lichtspielen.
Im Vergleich zu den anderen Kunst-Hotels schläft es sich im Künstlerheim deutlich billiger. Schließlich sollte das Haus nach der Wende ursprünglich eine Künstlerkommune beherbergen. Um die marode Immobilie sanieren zu können, setzten die heutigen Gesellschafter die Hotel-Idee um. «Der Erfolg hat uns selbst überrascht», sagt Brée. Schon drei Jahre nach der Eröffnung 1999 konnten sich die Gesellschafter ein neues Gebäude leisten.
Expandieren möchte auch Dirk Gädeke. In Köln, Düsseldorf und Frankfurt am Main will er neue Kunsthotels bauen, und auch in der Hauptstadt sieht er noch Perspektiven. «Paris hat 30 'Holiday Inns', warum sollen da in Berlin nicht zehn 'art'hotels' gut leben können?»
