Wohnen Wohnen: Hocker-Tisch und Sofa-Bett

Bad Honnef/dpa. - In etlichen Nachkriegskomödien spielte das moderne Möbel eine tragende Rolle: das berühmte Schrankbett, mit dem der leicht trottelige Filmheld beim harmlosen Liegeversuch unversehens gegen die Wand geklappt wurden. Damals wie heute steht hinter dem Wunsch nach Multifunktionalität von Möbeln meist schlicht Platzmangel. Doch in Sachen Flexibilität beim Wohnen beschränken sich die Möbeldesigner längst nicht mehr auf wandelbare Bettsofas. Das Regal ist zugleich Abtrennung vom Schlafbereich, der Esstisch ist auch Arbeitsplatz, und die rollbare Fernsehbank wird zum Nachttisch.
«Flexible Möbel waren zwar schon immer im Repertoire der Möbelhersteller vorhanden, doch seit rund fünf Jahren stellen wir eine starke Zunahme in diesem Bereich fest», sagt Ursula Geismann vom Verband der Deutschen Möbelindustrie (VDM) in Bad Honnef (Nordrhein-Westfalen). «Alle Möbel können irgendwas und sind in irgend einer Form an mehrere oder abgewandelte Funktionen anpassungsfähig.»
Möbelhersteller mit jüngeren Kunden wenden sich dem Bedürfnis nach Flexibilität am stärksten zu. So wartet das schwedische Unternehmen Ikea, dessen Bettsofas schon seit Jahrzehnten in deutschen Wohn- und Gästezimmern stehen, in seiner neuen Kollektion mit «Ideen hoch 3» auf: multifunktionale Einrichtungsvorschläge, die begrenzten Platz noch besser nutzen sollen. Da lassen sich Stühle klappen, Hocker stapeln, Schränke schieben, Küchen rollen und beim Sofa «Torstig» wird einfach die Luft rausgelassen, wenn es nicht mehr geraucht wird.
«Wir gehen dieses Jahr gewissermaßen die Wände hoch», erklärt Stefanie Neumann von Ikea Deutschland in Hofheim-Wallau (Hessen). «Die Kollektionen sind diesmal auch auf die dritte Dimension, das heißt die Wand ausgerichtet.» Wenn man einen klappbaren Stuhl aufhängen könne, sei das in kleinen Apartments eben auch eine Möglichkeit, Platz zu sparen.
Zudem versucht Ikea der gestiegenen Mobilität der Kunden auch durch leichtere Möbel gerecht zu werden. «Wir haben seit vergangenem Jahr zum Beispiel erstmals eine Modulküche mit leichten Kunststofffronten im Programm, die besonders umzugsfreundlich ist», erklärt Stefanie Neumann.
Der Möbelhersteller Innovation aus dem dänischen Randers hat seine aktuelle Kollektion für junge Kunden gleich «mobile home» getauft. Nach dem Motto «D.I.Y. - Design it yourself» kann der Verbraucher mit Hilfe von Textilien die Möbel selbst mitgestalten. Ob der Käufer die «Beanbags» - feste kreisrunde Kissen - nun als Beistelltisch oder Hocker nutzt, bleibt ihm selbst überlassen. Und der «Web Container» lässt sich als Fernsehtisch ebenso nutzen wie als Bücherregal.
Doch sind flexible Möbel durchaus nicht nur im unteren Preissegment und in jungen Programmen angesiedelt. Aus Karrieregründen muss sich so mancher Berufstätige auch im fortgeschrittenem Alter noch regelmäßig in neuen Wohnungen einrichten. Und in großen Städten mit knappem Wohnraum und vielen Singlehaushalten leben ohnehin auch gut betuchte Menschen mittleren Alters in Apartments mit begrenztem Raum.
Im Programm der Vertriebsgemeinschaft «die Collection» in Buchen im Odenwald nehmen flexible Möbel denn auch seit jeher einen zentralen Platz ein. «Seit über 35 Jahren haben wir uns auf hochwertige Möbelprogramme für das moderne Apartment spezialisiert», erklärt Annemarie Sitte von «die Collection». Dabei lege das Unternehmen Wert auf Kontinuität, so dass sich erste Anschaffungen im Laufe der Jahre erweitern lassen.
«Die Collection» bietet nicht nur flexible Sitz- und Liegemöbel im Polsterbereich, wie dies inzwischen fast alle Hersteller tun, sondern auch erweiterbare und wandelbare Tische oder auch Kleiderschränke in verschiedenen Tiefen. «Beim Klassiker Bettsofa ist es uns besonders wichtig, dass man es nicht mehr als solches erkennt, wenn es als Sofa genutzt wird», betont Sitte.
Denn Multifunktionalität heißt nicht Beliebigkeit: Ein Tagessofa, dem schon von weitem sein Doppelleben als Bett anzusehen ist, widerspricht dem Bedürfnis nach Intimität und eindeutig abgrenzbaren Lebensbereichen. Und so mancher Stadtbewohner, der sich mit flexiblen Möbeln arrangiert hat, träumt wahrscheinlich in stillen Stunden doch von großen Zimmern, in dem ein Esstisch ein Esstisch und ein Schreibtisch ein Schreibtisch ist.