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Tipps von Notfallseelsorgern Wie spreche ich mit Kindern über eine schwere Gewalttat?

Nach dem Fund einer Kinderleiche bei Güstrow fragen sich Kinder: „Kann das auch mir passieren?“ Wie Eltern ehrlich bleiben, ohne Ängste zu schüren – und warum Verheimlichen alles schlimmer macht.

Von dpa 15.10.2025, 12:56
Ein strukturierter Alltag und offene Gespräche helfen Kindern, traumatische Ereignisse besser zu verarbeiten.
Ein strukturierter Alltag und offene Gespräche helfen Kindern, traumatische Ereignisse besser zu verarbeiten. Guido Kirchner/dpa/dpa-tmn

Mülheim an der Ruhr - Mord, Totschlag, Amokläufe, Terrorakte: Schwere Gewalttaten machen fassungslos und betroffen - natürlich auch Kinder. Für Eltern ist das herausfordernd, sie fragen sich: „Wie spreche ich mit meinem Kind darüber?“ Oder sollte man das schreckliche Geschehen lieber verheimlichen? 

„Auf keinen Fall sollte man eine Tat verschweigen“, rät der Notfallseelsorger und Diplom-Pädagoge Prof. Harald Karutz. Das würde nur Unsicherheit und Angst erzeugen. Beim Kind würde das Gefühl bleiben: Meine Eltern sagen mir nicht die Wahrheit. Eltern sollten sich bewusst sein, dass das Kind das Ereignis ohnehin mitbekommt.

Nicht kleinreden, aber auch keine Gerüchte verbreiten

Deshalb sollten Kinder – etwa ab dem Grundschulalter – durchaus darüber informiert werden, was passiert ist. Karutz rät dabei, nicht zu versuchen, das Geschehene „kleinzureden“ oder „herunterzuspielen“, um die Kinder vermeintlich zu schützen. Denn: Was passiert ist, ist passiert.

Eltern sollten dabei allerdings nichts sagen, was zusätzlich Ängste auslösen könnte. Spekulationen zu etwaigen Befürchtungen, Gerüchte, die eventuell auf Social Media kursieren oder grausame Einzelheiten zum Verlauf eines Tatgeschehens sollten etwa nicht angesprochen werden. 

Wenn Kinder, vor allem kleinere, von selbst auf Eltern zukommen und über eine Tat reden wollen, sei es ein guter Einstieg ins Gespräch, zuerst zurückzufragen: „Was weißt Du denn schon darüber? Was hast Du gehört?“, rät Oliver Beyer, der nach dem Amoklauf in einer Grazer Schule im Juni Eltern für die Kinder- und Jugend-Notrufnummer „Rat auf Draht“ beraten hat, dem österreichischen Pendant zur deutschen „Nummer gegen Kummer“.

Typische Frage: Kann das auch mir passieren?

„Kann das auch mir passieren?“ ist laut Harald Karutz eine der häufigsten Fragen von Kindern nach Gewalttaten. „Betonen Sie, dass schwere Gewalttaten insgesamt sehr, sehr selten sind“, empfiehlt der Notfallseelsorger. Zudem sei begrenzter Medienkonsum sehr hilfreich. Damit schütze man Kinder vor einer zu intensiven, sich ständig wiederholenden oder sehr detaillierten Berichterstattung. Wenn zur Tat vorhanden, seien spezielle Kindernachrichten empfehlenswert, die man am besten gemeinsam mit dem Kind schaut.

Manchmal hat man auf Fragen der Kinder aber auch keine Antwort. Und dann? „Das ist keine Schande“, beruhigt Oliver Beyer. Man könne ehrlich sagen: „Das weiß ich auch nicht, kann mich aber schlaumachen.“ Dabei gelte es, ruhig auch zu zeigen, dass man selbst betroffen ist, und dem Kind erklärt: „Auch mich beschäftigt das.“ Ängste zu verstecken, erzeuge nur Unsicherheit, erklärt Bayer.

Hilfreich: Vorübergehend im Elternbett schlafen

Wenn kleinere Kinder dies wünschen, kann man sie auch vorübergehend im Bett der Eltern schlafen lassen, rät Harald Karutz. Das vermittele Geborgenheit. Es helfe auch, auf Trost und Hilfe hinzuweisen - etwa darauf, dass sie Polizei genau aufklären wird, wie es zu der Gewalttat kommen konnte. Man könne zudem darauf verweisen, dass viele Menschen Anteil nehmen und in Gedanken bei den Betroffenen sind: „Das stärkt den Zusammenhalt und hilft dabei, das Geschehene gemeinsam zu bewältigen“, so der Notfallseelsorger. 

Das Kind möchte helfen, weiß aber nicht wie? Dann könnten Eltern Karutz zufolge vorschlagen: „Zünde doch symbolisch eine Kerze an, bete für die Angehörigen, male ein Bild oder schreibe in einem Brief auf, was Du dem Verstorbenen oder seinen Hinterbliebenen gerne mitteilen würdest.“

Für Eltern, die nicht weiterwissen, gibt es das „Elterntelefon“ unter der Rufnummer 0800/ 111 0 550. Kinder können sich jederzeit an die „Nummer gegen Kummer“ 116 111 wenden.