Videospiele als Fitness-Programm für Senioren?
Darmstadt/dpa. - Videospiele sind etwas für Teenager, die - weil sie ständig vor dem Bildschirm sitzen - immer dicker werden. So lautet das Klischee. Das wird spätestens dann infrage gestellt, wenn Ältere in Yoga-Position vor dem Fernseher stehen.
Vor allem der Hersteller Nintendo setzt mit der Konsole Wii auf Wohnzimmer-Sport. Sogar Seniorenheime laden inzwischen zum virtuellen Bewegungstreff. Das Spiel «Wii fit» wird mit einem Balance-Brett ausgeliefert. Wer auf dem «Balance Board» steht, kann durch Gewichtsverlagerung Aufgaben lösen. Es gibt Yoga- und Kraftübungen, man kann aber etwa auch auf Skiern einen Slalom-Kurs meistern oder Fußbälle köpfen. Das Prinzip ist nicht neu: Zum Spiel «Dance Dance Revolution» von Konami etwa gehört eine Matte. Im Takt der Musik werden Symbole angezeigt, die der Spieler auf der Matte mit seinen Füßen treffen muss.
Dass virtuelle Szenarien motivieren, machten sich Fitness-Studios zunutze, sagt Prof. Josef Wiemeyer vom Institut für Sportwissenschaft der Technischen Universität Darmstadt. Beim Training auf dem Fahrrad wird auf Bildschirme gestarrt, die eine Radstrecke zeigen.
Aber kann die Konsole wirklich zu mehr Sport motivieren? «Es ist besser, wenn sich die Leute an der Konsole bewegen als wenn sie gar nichts tun», sagt Bruno Kollhorst, der sich bei der Techniker Krankenkasse mit Computerspielen beschäftigt. Allerdings habe Joggen vor dem Bildschirm wenig mit echtem Laufen zu tun.
Laut Wiemeyer hält sich der Trainingseffekt in Grenzen. «Dance Dance Revolution» sei von der Anstrengung her mit leichtem Joggen zu vergleichen. Um den zusätzlichen Energieverbrauch zu erreichen, der für einen positiven Gesundheitseffekt nötig wäre, müssten Spieler zwei bis drei Stunden pro Woche auf der Tanzmatte verbringen. Bei den Sportspielen der Wii seien es eher vier bis fünf Stunden.
In einem anderen Bereich könnte «Wii fit» größeren Nutzen bringen. Es habe Gleichgewichtstests mit Älteren auf dem Balance Board gegeben, sagt Kollhorst. Die Übungen könnten möglicherweise Stürze vorbeugen helfen. Auch Präventionsexperte Prof. Frank Bittermann von der Uni Potsdam erwartet, dass solche Spiele die Koordination fördern und damit zu einem besseren Körpergefühl führen können.
Wiemeyer sieht das kritischer. Bei vielen Gleichgewichtsübungen übernehme die Konsole die Führung. Sie zeigt am Bildschirm einen Punkt, der einen bestimmten Bereich nicht verlassen darf. «Das führt dazu, dass man sich auf die Steuerung des Punktes konzentriert und dass das die Wahrnehmung komplett überlagert.»
Ob Menschen ausdauernd an der Konsole trainieren, findet Wiemeyer zumindest fraglich. «Es gibt Studien, die zeigen, dass sich der Motivationseffekt relativ schnell abnutzt.» Das Problem sei, jemanden langfristig bei der Stange zu halten. Dafür brauche es eine gute Einbindung, etwa Leute, die mittrainieren.
Das ist Markus Deindl und Josef Kiener gelungen. Die Studenten aus München organisierten eine Bowling-Meisterschaft in Pflege- und Seniorenheimen. Dabei rollten die Kugeln auf dem Bildschirm. «Als wir bei den ersten Heimen anriefen, hörten wir oft: 'Unsere Senioren können das nicht'», erzählt Kiener. Später habe sich aber gezeigt, dass die Bewohner schon nach kurzer Zeit mit dem Spiel klarkamen.
In manchem Heim gehört Bowling heute zum Freizeitprogramm, so etwa in der Seniorenwohnanlage Neuwiedenthal in Hamburg. «Ich denke schon, dass die Motorik durch das Spiel trainiert wird», sagt Heimleiterin Sabine Schirner. Nach dem ersten Spieleabend hätten einige Bewohner sogar Muskelkater gehabt.