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Verhandlung Verhandlung: «Kuhhandel» im Gerichtssaal

Von SEBASTIAN BRONST 15.02.2009, 21:17

Halle/MZ. - Viele lassen solche Absprachen über Mauschelei schimpfen. Jüngst waren es Meldungen über angebliche strafmildernde Absprachen im Steuerhinterziehungsprozess gegen den früheren Postchef Klaus Zumwinkel, die das Interesse am Thema befeuerten. Dabei sind "Deals" keinesfalls ein Vorrecht von Prominenten - jeder kann von ihnen profitieren.

Gerade in kleineren Verfahren vor Amts- und Landgerichten sind sie üblich und kommen häufig zur Anwendung. "Man sollte nicht glauben, dass Deals ein Luxusphänomen sind. Sie sind Alltag", sagt der Strafverteidiger Stefan König aus Berlin, Vorsitzender des Strafrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins, ebenfalls in der Hauptstadt. Deshalb seien sie - Beratung vorausgesetzt - grundsätzlich für jeden Angeklagten eine Möglichkeit.

Auch Christian Schröder, Professor für Strafrecht an der Martin-Luther-Universität Halle, ist der Ansicht, dass Absprachen in der Öffentlichkeit zu Unrecht als "schillernd" wahrgenommen werden. "Das ist nichts Besonderes, das ist Praxis." Teilweise beruht die Unsicherheit über die Bedeutung von "Deals" darauf, dass es diese zumindest formal gar nicht gibt. Die deutsche Strafprozessordnung kennt keine Absprachen. In Zivilverfahren mögen Vergleiche zwischen den streitenden Parteien üblich sein. Die Strafjustiz aber ist auf Kompromisse nicht ausgelegt. Sie geht davon aus, dass sich Ankläger und Angeklagter unversöhnlich gegenüberstehen.

In der Praxis hat sich aber auch in Strafprozessen ein Vorgehen ausgeprägt, bei dem Verfahren gegen kooperationswillige Angeklagte abgekürzt werden können. Wenn diese gestehen und eine langwierige Beweisaufnahme vermeiden helfen, werden ihnen zum Beispiel mildere Strafen in Aussicht gestellt. Daran hat die vielfach überlastete Strafjustiz schon aus Zeitgründen Interesse. Man kann mit der Justiz reden, sagt König: "Es ist ein Apparat, mit dem man kommunizieren kann." Ein Großteil der alltäglichen "Deals" vollzieht sich dabei bereits, bevor es überhaupt zu einer öffentlichen Hauptverhandlung kommt. Vor allem bei Routine-Verfahren mit weitgehend unstrittiger Beweislage können Angeklagte Zeit und Nerven sparen, indem sie einen sogenannten Strafbefehl akzeptieren.

Im Prinzip handelt es sich dabei um ein Gerichtsurteil ohne öffentliche Verhandlung. Der oder die Richter begutachten einen Fall nach Aktenlage - und die Entscheidung ergeht im schriftlichen Verfahren. Wenn der Angeklagte keinen Einspruch erhebt, wird sie rechtskräftig. "Gerade in kleinen Steuerhinterziehungsverfahren ist das eine Praxis, die Gang und Gäbe ist", sagt König. Der Vorteil für Angeklagte liegt nicht nur in einem Strafnachlass. Er kann so auch einen öffentlichen Auftritt vor Gericht vermeiden, der unter Umständen Folgen hat, an die er zunächst gar nicht denkt - etwa im persönlichen Bereich, durch arbeitsrechtliche Konsequenzen oder die Beschädigung des eigenen Rufs als Geschäftsmann.

König rät nicht zuletzt deshalb dazu, frühzeitig zu prüfen, ob "kooperatives Verhalten" sinnvoll ist. Ein geschickter Anwalt könne in geeigneten Fällen dann vieles "ziemlich geräuschlos hinkriegen". Aber auch wenn es zur Hauptverhandlung vor Gericht kommt, hat ein Angeklagter weiter die Möglichkeit, mit einem Geständnis noch einen Strafnachlass zu erreichen - zumindest in bestimmten Grenzen und unter bestimmten Bedingungen.

So hat sich der Bundesgerichtshof in Karlsruhe mit den auch unter Juristen nicht unumstrittenen Absprachen in Strafverfahren befasst und Mindestbedingungen fixiert. In einem Beschluss von 2005 legte der Große Senat für Strafsachen etwa fest, dass "Deals" nicht zu unverhältnismäßig milden Strafen führen dürften. "Als Angeklagter sollte man nicht blindlings jeder Absprache zustimmen", warnt Strafverteidiger König.