Streamingdienste belasten das Netz Wegen Coronavirus: Werden Netflix und Youtube abgeschaltet?

Köln - Der Aufruf, Leute sollen in Zeiten der Coronavirus-Krise so weit wie möglich zu Hause bleiben und soziale Kontakte meiden, hat bei vielen Menschen die Tagesplanung umgeworfen. Wer kann, widmet sich jetzt dem Konsum von Streaming-Diensten. Endlich Zeit, um die Serie bei Netflix zu schauen, die man schon so lange anfangen wollte. Das kann zu Problemen an anderer Stelle führen.
Die sprunghaft gestiegenen Streams von Serien und Co. über Netflix und andere Anbieter könnten im Zusammenspiel mit der vermehrten Arbeit aus dem Homeoffice die Telekommunikationsnetze überlasten und das Internet an seine Grenzen bringen. Die einzige Lösung wäre in diesem Fall, das Netz zu entlasten.
Erster Kandidat für eine Abschaltung wären dann wohl die Streamingdienste. Vergleichbar mit dem Schritt, das Zusammentreffen großer Menschenmengen zunächst bei Freizeitveranstaltungen, zum Beispiel Fußballspielen, zu verhindern, würde der Einschnitt bei der Entlastung des Netzes ebenfalls zuerst die Freizeitangebote treffen, um die Arbeit vieler Menschen aus dem Homeoffice weiter zu ermöglichen. „Sofern das der Fall sein sollte, muss man darüber nachdenken, bestimmte „bandbreitenhungrige“ Unterhaltungsdienste, wie zum Beispiel Video-Streaming, zeitweise vom Netz zu nehmen“, findet auch Torsten Gerpott, Professor und Telekommunikationsexperte der Universität Duisburg-Essen. Hinzu kommt, dass gerade Streamingdienste ein sehr hohes Datenvolumen benötigen. Besonders dann, wenn die Serie in bester Auflösung geschaut wird.
„Gefahr, dass Kapazitäten nicht mehr ausreichen“
Der Gedanke, irgendwann nicht mehr vor die Tür zu dürfen und dann noch nicht mal Filme und Serien streamen zu können, ist nicht schön. Theoretisch könnte er aber zur Realität werden. „Die Gefahr, dass die Kapazitäten nicht mehr ausreichen, ist vorhanden“, sagte Branchenkenner Ralf Beyeler dem Tagesanzeiger. Die Schweizer Zeitung berichtete am 16. März zudem von Unterbrechungen im Netz in weiten Teilen der Deutschschweiz.
Die Swisscom, führendes Telekommunikationsunternehmen in der Schweiz, geht jedoch davon aus, dass das Datennetz trotz immer mehr Homeoffice-Tätigkeiten noch genügend Kapazitäten zur Verfügung hat. Sollte es entgegen aller Erwartungen zu einer Überlastung des Netzes kommen, könnte der Bund allerdings gemeinsam mit den Anbietern die temporäre Abschaltung von „weniger wichtigen Dienstleistungen“ beschließen, schreibt der Tagesanzeiger und nennt Netflix sowie Youtube als Beispiel.
Standard: Österreich gewährt Aufhebung der Netzneutralität
Auch in Österreich ist man sich der Problematik bewusst. Dem Standard liegt ein Schreiben der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR) vor. In diesem gewährt die RTR den Betreibern, von der Netzneutralität abzusehen. Eine Möglichkeit sei es, Datenpakete für beispielsweise Streaming-Angebote zu drosseln. Damit würden Netflix und Co. zunächst zwar nicht abgeschaltet werden, aber nur noch in geringerer Auflösung und eventuell mit längeren Ladezeiten verfügbar sein. Ähnlich wie bei der Drosselung des Internets bei einem Mobilfunkvertrag, sobald das Highspeed-Volumen verbraucht ist.
Allerdings beschwichtigen die Anbieter in Österreich, es seien genug Kapazitäten vorhanden. Das Pendant in Deutschland tut dies ebenfalls. Laut Computerbild sehen sich die Telekommunikationsprovider hierzulande „für eine deutlich höhere Auslastung der Kommunikations- und Datennetze in der Coronavirus-Krise gut gerüstet.“ Auch Torsten Gerpott hat registriert, „dass die Verkehrsmengen gestiegen sind. Aber nicht, dass generell das Internet in Deutschland überlastet ist.“ In einer Stellungnahme europäischer Provider heißt es, der Verkehr über IP-Netze habe um fast 40 Prozent zugenommen, die Nutzung von Instant-Messaging-Tools wie Whatsapp habe sich in den vergangenen Tagen verfünffacht.